Muriel Helbig - Porträt einer akademischen Führungsperson

Frau Muriel Helbig und ihr erstes Kind © DAAD

Vizepräsidentin des DAAD, Präsidentin der TH Lübeck

Dr. Muriel Helbig wurde 1975 in Washington, DC geboren und wuchs in Deutschland, dem Libanon und den USA auf, bevor sie 1994 ein Studium der Psychologie an der Universität Potsdam begann. Ihre Promotion absolvierte sie anschließend in einem internationalen DFG-Graduiertenkolleg der Friedrich-Schiller-Universität Jena (2006).  Seit 2014 ist Dr. Muriel Kim Helbig Präsidentin des TH Lübeck. Als Vizepräsidentin des DAAD engagiert sie sich seit 2020 für den internationalen akademischen Austausch.

Hat der DAAD in seiner Förderpolitik im Hinblick auf Gendergerechtigkeit Strategien und wenn ja, welche? Wie sieht die Förderbilanz aus? Wo gibt es Verbesserungspotential?

Die Themen Diversität und Chancengerechtigkeit werden im DAAD großgeschrieben, dazu zählt selbstverständlich auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit. Aktuell werden strategische Diversitätsziele und entsprechende kurz- und mittelfristige Maßnahmen erarbeitet, die ab dem Frühjahr 2022 im Rahmen einer institutionellen Diversitätsagenda implementiert werden sollen.

Im Rahmen seiner Förderungen weist der DAAD ein sehr ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf. Der Anteil der Frauen unter allen DAAD-Geförderten (Personen- und Projektförderung) lag für das Berichtsjahr 2020 bei fast 54%. Im Rahmen der Erasmus+ Calls 2018 und 2019 lag der Anteil der weiblichen Geförderten bei 62 %. Im Bewerbungs- und Auswahlprozess werden die Lebensumstände von Studierenden mit Kindern adäquat berücksichtigt.

Mit Blick auf das Sustainable Development Goal „Achieve gender equality and empower all women and girls“ hat der DAAD für die neue Legislaturperiode einen Programmvorschlag „Empower Women“ unterbreitet. Das Ziel des Programms ist es, die Repräsentanz von Frauen sowohl in akademischen als auch in unternehmerischen Führungsrollen in ausgewählten Pilotländern Afrikas und Lateinamerikas zu stärken.

Wie sieht es um die Gleichstellung von Frauen und weiblichen Studierenden/Mitarbeiterinnen an der TH Lübeck aus? Worauf arbeiten Sie hin? Wie versuchen Sie diese Ziele zu erlagen? Was hat es für Erfolge gegeben?

In den Führungspositionen und unter den Studierenden besonders technischer Studiengänge sind wir leider weit von einer Gleichstellung entfernt. Worauf arbeite ich hin? Dass Gleichstellung nicht als Frauenthema gesehen wird (und erst Recht nicht als Frage der Familienförderung!), sondern nur gelingen kann, wenn alle verantwortlich gemacht werden, Männer, Frauen, alle. Generell bin ich auch für eine Quote, beispielsweise bei Neubesetzungen. Eine Quote darf jedoch nicht zu Lasten der bereits anwesenden Minderheit gehen – beispielsweise bei der Besetzung von Berufungsverfahren, da hier die gesamte Last auf wenige Professorinnenschultern gelegt würde. In solchen Fällen bin ich beispielsweise für verbindliche Schulungen zur Gleichstellung für alle Mitglieder, unabhängig ihres Geschlechts. Hierfür arbeite ich mit der Gleichstellungsbeauftragten der Technischen Hochschule Lübeck zusammen, und wir versuchen zusätzlich, auch im politischen Raum Gehör zu finden. Erfolgreich waren wir in der Einwerbung von Drittmittelanträgen wie dem Professorinnenprogramm oder dem E-Quality Award. Aber insgesamt lässt sich festhalten: Es ist ein verdammt dickes Brett.

Sie sind Präsidentin einer technischen Hochschule – was hilft Ihnen persönlich diese wichtige Funktion mit Ihrer Rolle als Mutter zu vereinbaren?

Was mir persönlich hilft? Erstens: Die Einstellung, dass es selbstverständlich ist, auch als Mutter eine berufliche Karriere zu leben – ich bin „Rabenmutter“ in 3. Generation ;-). Zweitens: Die Überzeugung, dass auch Rabenmütter gute Mütter sind. Drittens: Ein Ehemann und Vater, der es selbstverständlich findet, dass Familie genauso seine Angelegenheit ist wie meine. Somit könnte man sagen: Meine wichtigste Karriereentscheidung war unsere Hochzeit. Viertens: Meine Kinder. Denen und uns miteinander geht es bestens.

Was ist rückblickend bislang die herausforderndste Situation, die Sie im Berufsleben bewältigen mussten?

Zu Beginn war es für mich tatsächlich eine herausfordernde Situation, vor (großen) Gruppen (frei) zu sprechen- das mache ich inzwischen richtig gerne. Später waren Konflikte herausfordernd. Ich musste lernen, sie nicht nur zu bewältigen, sondern auch als Chance zu nutzen. Das Einarbeiten in neue Positionen an neuen Institutionen ist immer herausfordernd und zeitintensiv, aber auch interessant und voller Freude. Die Frage ist ja: Was ist herausfordernd- und was ist belastend? Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Herausforderungen finde ich gut und suche ich auch. Belastungen hingegen beobachte ich aufmerksam: Sind sie für mich hilfreich, aushaltbar oder krankmachend?

Welche Herausforderungen und Anforderungen erwarten Berufseinsteigerinnen zukünftig in der Forschung und wie können sie sich konkret darauf vorbereiten? Welchen Ratschlag haben Sie persönlich?

Der Druck für Berufseinsteigerinnen ist enorm hoch: Sich im beruflichen Umfeld finden und gleichzeitig die privaten Planungen unter einen Hut bringen. Da gibt es kein Geheimrezept, nur individuelle Lösungen. Mein Tipp wäre immer: Der Bauch hat Recht. Und: Augen und Ohren offenhalten, Peers, Freunde, Familie und Vorbilder immer wieder um Rat und Unterstützung bitten. Alle helfen gerne! Meinem jüngeren Ich würde ich zurufen: Ruhe bewahren, vertrau Dir.

Die Portraitreihe der Spitzenfrauen des chinesisch-deutschen Alumninetzwerkes und des DAAD wurde ursprünglich auf der Webseite des DAAD China publiziert.

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