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Eine Brückenbauerin für mehr Vielfalt

SDG Ziel 10: Weniger Ungleichheiten
SDG Ziel 5: Geschlechtergleichheit
Zwei Frauen Besprechungssituation
© Getty Images/JLco - Julia Amaral

Vielfalt bedeutet für mich, dass alle Stimmen gehört und wertgeschätzt werden und dass sich jeder Mensch sicher fühlt, an der Gestaltung einer besseren Gesellschaft mitzuwirken.

Tâmara Andrade

Seit Tâmara Andrade eine Tochter hat, ist ihre Motivation, sich für einzusetzen, noch gewachsen. „Laut den Vereinten Nationen wird es noch Jahrhunderte dauern, bis wir die Gleichberechtigung der Geschlechter weltweit verwirklicht haben werden. Nicht zuletzt für meine Tochter möchte ich, dass es schneller geht“, sagt die 36-Jährige aus Brasilien.

Gemeinsam mit ihrer eineinhalb Jahre alten Tochter und ihrem Mann lebt Tâmara Andrade derzeit in Deutschland. Sie ist der und berät bis zum Frühjahr 2025 das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn. Für die Akademie des IDOS hat sie unter anderem einen Leitfaden zur Vermeidung von sexueller Belästigung und Diskriminierung erarbeitet und Workshops zum Thema organisiert. Bis zum Ende ihres Aufenthalts will sie ein Tool-Kit für Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem sozialen Sektor fertigstellen, die ihre Führungsstrukturen diverser aufstellen wollen.

Bildung verändert das Leben

Dass Tâmara Andrade einmal eine internationale Karriere einschlagen würde, war alles andere als selbstverständlich. Als sie selbst noch ein Kind war, zogen ihre Eltern aus einer benachteiligten Region in Brasilien nach São Paulo, um ihren Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen. „Ich bin die Erste aus unserer Familie, die an einer Universität studieren konnte. So habe ich erfahren, wie das Leben von Menschen verändern können“, sagt sie.

Während ihres Psychologie-Studiums lernte Tâmara Andrade aber auch, dass Bildung allein nicht alle Türen öffnet. Neben dem Studium arbeitete sie in der Privatwirtschaft an der Konzeption von Führungskräfteentwicklungs- und Trainingsprogrammen mit – und fand heraus, dass die Zugangskriterien zu solchen Programmen viele Gruppen von vornherein ausschlossen. „Die Kriterien waren oft diskriminierend. Es wurden beispielsweise nur Absolventinnen und Absolventen bestimmter Universitäten zugelassen oder gute Englischkenntnisse verlangt, wo dies gar nicht erforderlich war“, erklärt Tâmara Andrade. Sie empfahl ihren Auftraggeber:innen, dies zu ändern und erreichte, dass der Kreis potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten für Führungspositionen erweitert wurde. „Es zeigte sich, dass die Programme die Bevölkerung besser repräsentierten als zuvor. Auch die Leistungen der Trainingsgruppen verbesserten sich, weil mehr Perspektiven und Ideen eingebracht wurden.“

Chancengleichheit ist ein Grundrecht

Wissenschaftlich ist längst erwiesen: von Unternehmen und Organisationen, und sie führen auch zu besseren Entscheidungen. Tâmara Andrade geht es aber noch um etwas anderes: „Es ist ein Grundrecht, dass jede Person dieselben Chancen erhält.“ 2015 wurde Tâmara Andrade in Brasilien Mitbegründerin der NGO „Motriz“, die sich für mehr im öffentlichen Sektor einsetzt. Inzwischen hat Motriz lokale und staatliche Institutionen in allen brasilianischen Bundesstaaten bei der Nachwuchsförderung und der beraten. Die Programme der Initiative setzen bei den Auswahlverfahren an, denn das darin abgefragte Wissen bevorzuge oftmals bestimmte Gruppen, erläutert Tâmara Andrade. Vor allem Frauen und Schwarze Menschen seien nicht repräsentativ vertreten. „Durch eine Anpassung der Kriterien konnten wir in den vergangenen Jahren dazu beitragen, dass die Chancengleichheit in vielen brasilianischen Verwaltungen deutlich erhöht werden konnte. Repräsentative Führungsstrukturen führen so zu repräsentativen Entscheidungen.“

Organisationen in Deutschland können von anderen Ländern lernen

Ein entscheidender Erfolgsfaktor, um mehr Diversität zu erreichen, besteht aus ihrer Sicht darin, möglichst viele Menschen vom Wert inklusiver Strukturen zu überzeugen. „Es reicht nicht, wenn sich Personen über das Thema austauschen, die sich ohnehin schon für mehr Diversität einsetzen. Wir müssen auch die anderen mitnehmen“, erläutert Tâmara Andrade. Von ihren Erfahrungen profitieren nun NGOs in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen arbeitet sie zum Beispiel mit Organisationen aus dem Sozialsektor an einer Selbstverpflichtung für Inklusion und Diversität.

„Ich denke, dass der Austausch zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden sehr wichtig ist bei diesem Thema“, sagt Tâmara Andrade. Deutschland habe zum Beispiel nachahmenswerte Elternzeit-Regelungen. Umgekehrt könne Deutschland etwa von Brasilien viel über die Dekolonisierung von Organisationen lernen. Diesen Austausch möchte Tâmara Andrade in Zukunft stärker fördern und verbessern. Ob von Deutschland aus oder von Brasilien, das steht noch nicht fest.

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