Mit dem DAAD nach Hollywood

Bild vom Straßenschild "Hollywood Boulevard", blauer Himmel und Palmen im Hintergrund
© Getty Images/TheCrimsonRibbon

Interview mit DAAD-Alumnus Ortwin Sam Freyermuth, Mitgründer, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Leitender Justitiar des Computerspiel-Unternehmens Cloud Imperium Games in Los Angeles

Herr Freyermuth, von Hannover nach Kalifornien ist es ein weiter Weg. Haben Sie schon als Kind von einer Hollywood-Karriere geträumt?

Gar nicht! Vieles hat sich ungeplant ergeben. Wobei ich mich immer für fremde Kulturen und internationalen Austausch interessiert habe, wohl auch wegen meines hugenottischen Familienhintergrunds. Eigentlich wollte ich deutsch-französischer Rechtsanwalt werden. Als ich in Göttingen Jura studierte, hat uns ein Professor das einjährige Studienprogramm „Internationales Recht“ in Genf empfohlen. Ich war so begeistert, dass ich spontan zum Auslandsamt marschiert bin. Weil man für die Bewerbung sehr gute Französischkenntnisse brauchte, habe ich ein Urlaubssemester genommen und in Paris die Sprache erlernt. Ich wurde dann tatsächlich in Genf angenommen. Das Studienjahr war fantastisch, eine lebensverändernde Erfahrung, die durch ein DAAD-Stipendium möglich wurde. Meine verwitwete Mutter hätte das nicht finanzieren können.

Warum haben Sie sich gerade auf Unterhaltungsrecht spezialisiert?

Mein älterer Bruder bestand schon während meines Studiums darauf, dass ich seine Drehbuchverträge verhandle. Ich fand das interessant und habe mich eingefuchst. Nach dem Ersten Staatsexamen habe ich dann eine rechtsvergleichende Doktorarbeit über die Vervielfältigung von Filmen zum privaten Gebrauch angefangen. Um mich mit dem US-Urheberrecht zu befassen, bin ich, wieder mit einem DAAD-Stipendium, an die University of California gegangen und habe dort den Master im Internationalen Recht gemacht. Danach wollte ich noch ein paar Monate Arbeitserfahrung in den USA sammeln.

Daraus wurden Jahrzehnte …

Ja, deshalb habe ich die Dissertation leider nie abgeschlossen. Zuerst habe ich für einen internationalen Filmvertrieb Ausfuhrdokumente ausgefüllt. Dafür war ich völlig überqualifiziert, aber ich konnte spätabends nach der Arbeit im Keller alte Geschäftsakten lesen und aus ihnen lernen. Dann stand die Firma auf einmal vor dem Konkurs und man erinnerte sich an meine juristische Qualifikation. Ich half bei diversen Problemen – und bekam nach der Übernahme durch die Filmproduktionsgesellschaft Vestron das unerwartete Angebot, deren internationale Rechtsabteilung zu leiten. Von der Kellerassel zur Führungskraft – only in America!

Dabei hatten Sie noch gar keine Zulassung als Anwalt, oder?

Nein, und irgendwann habe ich mitgekriegt, dass ich aus diesem Grund fürchterlich unterbezahlt wurde. In den zwei Wochen Jahresurlaub habe ich dann Tag und Nacht für die gefürchtete Zulassungsprüfung gelernt und entgegen allen Vorhersagen bestanden. Mittlerweile war ich in Branchenkreisen bekannt als Deutsch-Amerikaner, der sich im Unterhaltungsrecht beider Länder auskennt. Denn bei Vestron konnte ich viele internationale Kontakte knüpfen, auch zu Dieter Geissler, dem Produzenten von „Die unendliche Geschichte 2“. Er hat mich 1989 abgeworben, damit ich mich in München um die Absicherung der Finanzierung kümmere, eine komplexe internationale Transaktion mit Tausenden von Vertragsseiten. Weil anschließend der Produktionsfortschritt begleitet werden musste, habe ich damals auch praktische Erfahrung am Set sammeln können.

Und wie sind Sie selbst Filmproduzent geworden?

Die Scriba & Deyhle-Holding, die die Finanzierung der „Unendlichen Geschichte 2“ ermöglicht hatte, war auch an „Shattered“ beteiligt, einem Filmprojekt des Regisseurs Wolfgang Petersen. Als dem Produzenten seine Finanzierung wegbrach, habe ich vorgeschlagen, dass wir Produktion und Vertrieb einfach selbst übernehmen. Ich hatte immer schon eine unternehmerische Ader, während des Studiums habe ich unter anderem französischen Wein importiert. Wir haben „Capella Films“ in Los Angeles gegründet und es geschafft, „Shattered“ zu produzieren und weltweit zu vertreiben. In den Jahren danach war ich Executive Producer von fünf weiteren Filmen. Es war meine Idee, den Director’s Cut von Wolfgang Petersens „Das Boot“ herzustellen. Drei Jahre später habe ich eine Firma gegründet, um weitere Special Editions klassischer Filme zu produzieren. Sie ging beim Zusammenbruch des Neuen Marktes in Konkurs. Auch eine interessante Erfahrung, wenn kein Investor mehr den Hörer abhebt. Ich habe dann eine Anwaltspraxis in Los Angeles aufgebaut, das lief zum Glück gut.

Wie kam es zu Ihrem Wechsel ins Video-Game-Geschäft?

Es ist dem Filmgeschäft in vielen Bereichen verwandt, so dass ich mich ab 2006 auch darin einarbeitete. Einer meiner Mandanten wurde der Wing Commander-Entwickler Chris Roberts. Er hat mir 2011 vorschlagen gemeinsam Cloud Imperium Games zu gründen. Die Finanzierung mit Investoren erwies sich als nicht einfach. So haben wir das Crowdfunding-Modell aufgegriffen und weiterentwickelt und bis heute 500 Millionen Dollar eingeworben – ein Weltrekord im Guinness Book of Records

Cloud Imperium Games entwickelt mit mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Massively Multiplayer Online Game „Star Citizen“, für das ein besonders detailgenaues Science-Fiction-Universum simuliert wird. Es gibt Kritik daran, dass nach zehn Jahren immer noch keine kommerzielle Version fertig ist. Auch das angekündigte Single-Player Game „Squadron 42“ lässt auf sich warten …

„Star Citizen“ ist in der Alphaversion bereits seit 2018 spielbar. Hunderttausendende Spieler verbringen jedes Jahr viele Millionen Spielstunden mit unseren Planeten, Monden und Raumstationen sowie 140 Raumschiffen. Wir implementieren völlig neue und einzigartige Technologien. Chris Roberts hat eine große kreative Vision und deren Realisierung braucht Zeit. Die weltweite Spiele-Community nimmt das Spiel begeistert auf, sonst würde sie seine Entwicklung nicht mit diesen enormen Beträgen finanzieren. Wir kommen der kommerziellen Betaversion kontinuierlich näher. 

Haben Sie Tipps für junge Gründerinnen und Gründer, die international tätig sein wollen?

Am wichtigsten ist, neben guten Fachkenntnissen natürlich, das Interesse an anderen Kulturen und Umgangsformen. Viele Verhandlungen scheitern an sprachlichen Hürden und kulturellen Missverständnissen. Meine Aufgabe war es immer wieder, kulturelle Brücken zwischen Deutschen, Amerikanern und Franzosen zu schlagen, um die notwendige Vertrauensbasis für den Verhandlungserfolg zu schaffen. Darum ist mein wichtigster Rat: Packt die Koffer und geht für längere Zeit ins Ausland! Danach muss man sich gut positionieren, um diesen erweiterten kulturellen und sprachlichen Hintergrund international effektiv nutzen zu können. Professionelle globale Netzwerke zum Austausch mit Kolleginnen und Kollegen von anderen Unternehmen sind dabei nach meiner Erfahrung sehr hilfreich. Und natürlich sollte man nie zaghaft sein, wenn sich eine unerwartete Chance ergibt: „The harder you try, the luckier you get!“

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