„Innovation beginnt beim Problem, nicht der Idee“
- 2025-07-01
- Miriam Hoffmeyer
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Herr Gurung, Sie haben schon sieben Startups gegründet oder mitgründet, das erste mit 17 Jahren. Drei davon bestehen bis heute. Was haben Sie auf dem Weg gelernt?
Die Frühphase der Unternehmensgründung ist die schwierigste. Viele Gründerinnen und Gründer – gerade auch Social Entrepreneurs – haben prinzipiell tolle Ideen, aber kennen die Kundinnen und Kunden und ihre Probleme nicht gut genug – was eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines Startups ist, wenn sie Probleme wirklich lösen wollen. Eine weitere Herausforderung, die ich sehe, ist, dass sich Gründerinnen und Gründer durch ihre eigenen Überzeugungen und Vorurteile leiten lassen, was sie daran hindert, wirklich das zu tun, was die Kundinnen und Kunden wollen und brauchen. Das Wichtigste, was ich gelernt habe: Langfristig erfolgreiche Geschäftsmodelle haben immer einen klaren Fokus auf eine Nische und sind konsequent auf die Bedürfnisse der Kund:innen ausgerichtet.
Gab es auch bei Ihnen Misserfolge?
2015 habe ich PlanetLocal mitgegründet, eine Plattform, über die kleine, unabhängige Hersteller von Kunsthandwerk im Himalaya ihre Produkte weltweit selbst direkt an die Endverbraucher vermarkten können. Wir haben uns verzettelt, indem wir alle möglichen Hersteller einbezogen haben, und davon ausgingen, dass sich die Hersteller an die Technologie der Plattform anpassen würden. Es stellte sich heraus, dass viele das nicht wollten oder konnten. PlanetLocal gibt es immer noch, aber nur in kleinem Umfang für B2B-Initiativen. Die Design- und Sozialinitiative IKIGAAI, die ich 2019 gegründet habe, funktioniert viel besser, weil wir einen klaren Fokus haben und den persönlichen Kontakt zu den Herstellern in der Himalaya-Regionen rund um Nepal, der nördlichen und der Inneren Mongolei pflegen. IKIGAAI wächst stetig und unser nächster Wunsch ist es, einen Flagshipstore in Kopenhagen zu eröffnen.
Der Name der Marke ist von einem philosophischen Konzept aus Japan abgeleitet. Was bedeutet es für Sie?
Das japanische Wort „“ bedeutet so etwas wie der Grund, warum man morgens aufsteht. Im Zentrum dieser Philosophie steht die richtige Balance zwischen den Dingen, die einem Freude bereiten, die man gut kann, für die man bezahlt wird – und die in der Welt gebraucht werden. Unsere Gesellschaft erzieht uns dazu, Fachkenntnisse zu erwerben, um dann einen gut bezahlten Job auszuüben. Ich habe diese Phasen durchlaufen und nach meinem Studium mehrere Jahre als Angestellter gearbeitet. Mit der Zeit begann ich, mir Gedanken zu machen, wie ich mein Leben gestalten möchte. Mein Ikigai ist ein Prozess – und ich habe gelernt, ihn zu genießen und wertzuschätzen. Aber irgendetwas fehlte. Ich bin überzeugt, dass meine Generation dazu beitragen sollte, die große Ungleichheit zu verringern, die innerhalb von Gesellschaften – und zwischen ihnen – besteht. Ich habe Ungleichheiten in ganz unterschiedlichen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen gesehen, sei es in Nepal oder in Europa.
Sie sind nach Deutschland gekommen, um an der Jacobs University in Bremen Biologie und Neurowissenschaft zu studieren. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Das Bachelorstudium in Bremen hat meinen Horizont sehr erweitert: Ich hatte Kommilitoninnen und Kommilitonen aus über hundert Nationen und konnte ganz unterschiedliche Kurse belegen. Danach habe einen Masterstudiengang in Business Administration und Bioentrepreneurship absolviert – ein gemeinsames Programm der Copenhagen Business School (CBS), der Universität Kopenhagen (KU) und der Technischen Universität Dänemarks (DTU). Ich mag transdisziplinäres Arbeiten sehr, weil es neue Perspektiven eröffnet. Davon profitiere ich auch in meiner Arbeit für das Unternehmen „“, das ich mitbegründet habe. Wir beraten seit 2019 Startups aus Bereichen wie Biotech, MedTech oder KI, die Wissenschaft, Technologie und Wirkung miteinander verbinden. Wir unterstützen sie in der spannenden ersten Gründungsphase dabei, ihren Markt zu erschließen und ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufzubauen. Unsere sich rasch verändernde Welt braucht soziale Unternehmen, die auch in Jahrzehnten noch relevant sind. Deshalb engagiere ich mich auch im deutschen und europäischen Startup-Ökosystem Dozent, Jurymitglied und Mentor –zum Beispiel bei der , die in diesem Jahr das Thema ‚‘ hat.
Welchen Beitrag können Deutschland-Alumni weltweit zu sinnstiftenden Geschäftsmodellen leisten?
Die haben ganz verschiedene fachliche Hintergründe. Wir haben viele engagierte Menschen, die in ihren eigenen Gemeinschaften etwas bewirken wollen. Sie zusammenzubringen, ist eine großartige Gelegenheit, um interdisziplinäre und neuartige Lösungen zu entwickeln. Menschen, die wirklich für eine Sache brennen, können viel bewegen. Wir stellen den Teilnehmenden Werkzeuge und Wissen zur Verfügung und unterstützen die Gewinner:innen bei ihren ersten Schritten in Richtung Umsetzung. Vor allem aber helfen wir ihnen, herauszufinden, ob ihre Ideen wirklich realistisch sind. Schließlich ist das oberste Ziel eines jeden Startups, ein wiederholbares und skalierbares Geschäftsmodell zu finden, um finanziell tragfähig zu sein. Auch Sozialunternehmen müssen auf diese Weise funktionieren, um wirtschaftlich bestehen zu können. Es ist faszinierend, Gründer:innen auf ihrem Weg zu begleiten und zu sehen, wie sie an ihren Herausforderungen wachsen. Dabei lerne ich auch sehr viel über mich selbst.