Unterstützung für 62 afghanische IT-Fachkräfte
- 2022-08-24
- Bettina Klotz
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Die TU Berlin hilft afghanischen Akademiker:innen © Christian Kielmann
In Kürze jährt sich der Tag, den Zahra A., Huma Z., Ahmad Shoaib Joya und Mohammad Mustafa Naier* nicht vergessen werden. Am 15. August 2021 kam es zum Sturz der afghanischen Regierung durch die Taliban. Die vier Alumni des Informatik-Masterprogramms des Zentrums für internationale und interkulturelle Kommunikation (ZiiK) der TU Berlin flohen an diesem Tag aus ihren Büros, hatten Angst um ihr Leben, versteckten sich teilweise und verloren von einem Tag auf den anderen nicht nur ihre Jobs, sondern auch die Hoffnung, mit der sie in ihr Land nach ihrem Studium in Berlin zurückgekehrt waren.
Seit Anfang dieses Jahres befinden sich die vier in Sicherheit in Berlin. Sie gehören zu einer Gruppe afghanischer Alumni, die mit Hilfe der TU Berlin nach Deutschland kommen konnten. Das TU-Präsidium hatte zügig Mittel für Not-Stipendien als Sofortmaßnahme bereitgestellt, um IT-Absolvent*innen der TU Berlin aus Afghanistan die Einreise als Gastwissenschaftler*innen nach Deutschland zu ermöglichen. Pro Stipendium vergibt die TU Berlin mehr als 1200 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von sechs Monaten. „Bridge IT – Integrationsprogramm für afghanische IT Alumni at Risk an der TU Berlin“, so der Titel des Programms, ist damit das größte eigenfinanzierte Projekt einer deutschen Universität zur Unterstützung für afghanische Akademiker*innen.
Insgesamt konnten 62 Menschen in die Förderung aufgenommen werden. 43 von diesen sind bereits in Deutschland angekommen, sechs Alumni bereiten aktuell noch ihre Ausreise aus Afghanistan vor oder warten in einem Drittstaat auf ihre Weiterreise nach Deutschland. Mit Familienangehörigen werden mit der Unterstützung der TU Berlin rund 220 Personen aus Afghanistan nach Deutschland gebracht.
TU-Präsidentin über das Programm
„Unsere Unterstützung hört nicht bei der Ankunft der Alumni in Deutschland auf. Die Menschen, die durch das Programm Bridge IT nach Deutschland kommen konnten, benötigen weiterhin unsere Hilfe. Wichtig ist es, dass sie hier einen Einstieg in den Arbeitsmarkt finden oder auch eine akademische Laufbahn einschlagen können. In diesem Prozess wollen wir begleiten. Auch das macht Universität aus. Netzwerke zu bilden, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch in besonderen Lebenssituationen helfen und bereitstehen. Dieser Gemeinschafts- und Alumnigedanke wird bei uns gelebt“, sagt TU-Präsidentin Prof. Dr. Geraldine Rauch.
In Deutschland sollen die Stipendiat*innen nun die Möglichkeit haben, als IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen
Das ZiiK der TU Berlin hat in den vergangenen 20 Jahren Entwicklungsarbeit im IT-Sektor im Hochschulbereich in Afghanistan geleistet und beispielsweise den Aufbau von diversen Rechenzentren koordiniert. Geleitet wurde das ZiiK durch Dr. Nazir Peroz, der sich nach dem Fall Kabuls gemeinsam mit seinen ehemaligen Mitarbeiter*innen unermüdlich dafür einsetzt, eine Brücke nach Deutschland zu bauen, um bei der Evakuierung von TU-Alumni zu helfen. Die Organisation der Unterstützungsmaßnahmen hat die?übernommen.
In Deutschland sollen die Stipendiat*innen nun die Möglichkeit haben, als IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder ihre wissenschaftliche Karriere fortzusetzen. Ihre Betreuung wird im neuen im Bereich Internationales koordiniert. Neben allgemeinen Weiterbildungs- und Beratungsangeboten wie Sprachkursen oder Aufenthaltsfragen werden zudem zwei Programmschienen aufgebaut, in denen es um die Förderung der akademischen Laufbahn geht sowie um die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. „Wir konnten bereits erfolgreich Betreuer*innen für Promotionsstudien gewinnen und eine Stipendiatin erhielt darüber sogar ein PhD-Stipendium aus dem “, sagt Dr. Ulrike Hillemann-Delaney, Leiterin Internationales. „Wir suchen jedoch noch weitere Gutachter*innen, die offiziell eine Betreuung übernehmen.“ Zur Finanzierung des Begleitprogramms konnten beim DAAD erfolgreich Mittel in Höhe von 146.400 Euro eingeworben werden und aufbauend auf der Erfahrung aus dem laufenden Afghanistan-Programm plant der TU-Bereich, weitere Integrationsmaßnahmen durch Nachqualifizierungs- und Weiterbildungsprogramme für Akademiker*innen in und aus Krisenregionen zu konzipieren und hierfür Fördermittel zu beantragen.
Wie es Zahra A., Huma Z., Ahmad Shoaib Joya und Mohammad Mustafa Naier heute geht, schildern sie in den folgenden Berichten.
* Hinweis: Namen teilweise gekürzt.
Zahra A.: „Als ich damals zum Studium nach Deutschland kam, lernte ich eine andere Welt kennen und mein Studium an der TU Berlin hat mich verändert. Vorher sah ich den Sinn im Lernen darin, meine persönliche Situation zu verbessern. In meinem Studium habe ich erkannt, dass es mir nur dann besser geht, wenn es den Menschen in unserer Gesellschaft besser geht. Und dies war mein großer Wunsch, als ich im Jahr 2021 nach Afghanistan zurückkehrte: Ich wollte etwas verändern in unserem Land. Bis zu dem Tag als die Taliban Kabul stürmten, habe ich als IT-Spezialistin für rund sechs Monate im Präsidialbüro der Regierung in Kabul gearbeitet. Unsere Aufgabe bestand darin, eine Digitalisierungsstrategie für Afghanistan zu erarbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass mir die TU Berlin und besonders Nazir Peroz geholfen haben, nach Deutschland zu kommen. Aber meine Familie fehlt mir sehr und es erfordert viel Kraft, gegen das Heimweh zu kämpfen. Zum Glück habe ich guten Kontakt zu den anderen Alumni aus Afghanistan. Der Austausch hilft mir sehr. Die Suche nach einem Arbeitsplatz in Deutschland ist nicht so leicht. Oft wird praktische Erfahrung verlangt und die fehlt mir leider. Aber ich suche weiter nach einem Job, denn ich muss von dem Geld, das ich hier verdiene, auch meine Familie zuhause unterstützen.“ © Christian Kielmann