Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt „Amaryllis“

Mehrgenerationenhäuser: mehrere Generationen unter einem Dach
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Eine bewusste Entscheidung für das Leben in der Gemeinschaft

Deutschland ist europaweit das Land mit den wenigsten Kindern; demographische Studien zeigen, dass deutsche Haushalte immer kleiner werden. In alternativen Wohnprojekten finden sich Menschen zusammen, die auch über den Familienverband hinaus in langfristigen, lebendigen Gemeinschaften zusammen leben möchten. Silke Gross ist Mitbegründerin des Mehrgenerationen-Wohnprojekts „Amaryllis“ und lebt seit fünf Jahren in diesem außergewöhnlichen Haus.

In Deutschland entstehen derzeit in vielen Städten und Gemeinden sogenannte Mehrgenerationen-Wohnprojekte. In ihnen schließen sich Menschen zusammen, die gerne in einer verbindlichen Gemeinschaft mit anderen leben möchten. Ein solches Wohnprojekt ist „Amaryllis“ in Bonn. Mitbegründerin Silke Gross spricht über ihre Motivation und beantwortet die Frage, ob dieser neue Trend eine typisch deutsche Entwicklung ist. Eine direkte Verbindung zum Alumniportal Deutschland gibt es übrigens auch.

„Mehrgenerationen-Wohnprojekt“: Hinter diesem typisch deutschen Wort-Ungetüm verbirgt sich ein neuer Trend in der Lebensgestaltung. In Deutschland leben immer mehr Menschen alleine oder in Kleinstfamilien, immer mehr Erwachsene erziehen ihre Kinder ohne Partner/in und immer mehr alte Menschen können nicht bei ihren Kindern leben. Menschen, die den Wunsch haben, in einer Gemeinschaft von Jung und Alt, von Familien, Alleinerziehenden und Singles zu leben und sich gegenseitig zu unterstützen, haben eine Alternative gefunden. In vielen Städten und Kommunen gibt es bereits solche Wohnprojekte. Manche sind in städtischem Besitz, andere befinden sich in privater Hand.

MEHRGENERATIONEN-WOHNPROJEKT „AMARYLLIS“ IN BONN – EIN ZUHAUSE FÜR 62 MENSCHEN ZWISCHEN ZWEI UND 85 JAHREN

Eine solche Initiative ist „“ in Bonn. Mitte der 90er Jahre entstand die Idee zum Zusammenleben verschiedener Generationen, 2007 konnten die ersten der 30 Wohnungen in drei neugebauten Häusern bezogen werden. Mittlerweile wohnen dort 45 Erwachsene zwischen 26 und 85 Jahren sowie 17 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Mit-Initiator:innen sind das Ehepaar Silke Gross und Gerd Hönscheid-Gross. Dieser hat übrigens nicht nur das Mehrgenerationen-Wohnprojekt mit gegründet, sondern war auch maßgeblich an der Idee und Entwicklung des Alumniportals Deutschland beteiligt und lange als Projektleiter dieses Netzwerks für Deutschland-Alumni tätig.

INTERVIEW ÜBER MEHRGENERATIONEN-WOHNPROJEKTE

Silke Gross spricht im Interview über ihr neues Zuhause und die Frage, ob das Konzept auch in anderen Teilen der Welt Fuß fassen könnte.

Frage: Frau Gross, sind Mehrgenerationen-Wohnprojekte ein typisch deutsches Phänomen?

Silke Gross: Nein, Vorreiter bei dieser Entwicklung war Dänemark. Hier wurden schon Anfang der 90er Jahre die ersten Projekte verwirklicht. Auch die Vereinigten Staaten übernahmen die Idee aus Dänemark, dort wird sie unter der Bezeichnung „Cohousing Communities“ umgesetzt.

Was vielleicht typisch deutsch daran sein könnte, ist die Portion politisches Bewusstsein, die dazu gehört, sich für so eine Lebensform zu entscheiden. Denn natürlich ist es eine bewusste Entscheidung für eine Alternative zum traditionellen Leben mit der Familie. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach dem verbindlichen Kontakt zu ganz unterschiedlichen Menschen ist aber sicher nicht typisch deutsch, sondern kann in vielen Industrieländern mit einer ähnlichen demographischen Entwicklung beobachtet werden.

Frage: Sie haben einige Jahre mit Ihrer Familie in Afrika gelebt. Glauben Sie, dass dies einen Einfluss auf Ihre Entscheidung für das Mehrgenerationen-Wohnprojekt „Amaryllis“ hatte?

Silke Gross: Vielleicht indirekt. Mein Mann und ich hatten vor unserer Zeit in Afrika schon Erfahrung mit Wohngemeinschaften gemacht. Unsere beiden Töchter wurden in Simbabwe geboren und wir haben gesehen, wie eng dort große Familienverbände zusammenlebten und wie die Generationen sich selbstverständlich gegenseitig unterstützten.

Frage: Finden Sie, „Amaryllis“ könnte auch ein Modell für Entwicklungs- und Schwellenländer sein?

Silke Gross: In Ländern, wo es noch starke Familienstrukturen gibt, ist der Antrieb, sich mit anderen zusammenzutun, wahrscheinlich nicht so stark. Mehrgenerationen-Wohnprojekte findet man hauptsächlich im städtischen Ballungsraum und sie sind eher ein Phänomen der Mittelschicht. Es ist aber durchaus denkbar, dass solche Projekte in den Metropolen der Schwellenländer in absehbarer Zukunft entstehen könnten.

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