RISE Weltweit: Alumni-Tipps für ein Forschungspraktikum

zwei Forschende im Gewächshaus
Im Ausland praktische Erfahrungen sammeln: Ein Gespräch zwischen RISE-Alumni. © Getty Images/SDI Productions

Kontakte knüpfen, neue Berufsfelder kennenlernen und Möglichkeiten ausloten: Vielfältige Gründe sprechen dafür, während des Studiums erste Arbeitserfahrungen zu sammeln. Der DAAD fördert mit seinem Forschungspraktika für deutsche Studierende aus den Natur-, Lebens- und Ingenieurwissenschaften, auch wenn sie aktuell wegen der Corona-Pandemie online stattfinden müssen. Ein Gespräch zwischen zwei Mathematikstudierenden, RISE-Alumna Maresa Schröder und RISE-Stipendiat Niclas Popp. 

Niclas Popp: Mein Praktikum hatte ich eigentlich für den Sommer 2020 geplant. Ich stand kurz vor dem Abschluss, hatte bereits das über das in der Tasche und wollte für meine Bachelorarbeit über Biomathematik an der
forschen. Doch dann kam Corona, und ich konnte nicht nach Schottland fliegen. Nun absolviere ich mein Praktikum rein virtuell. Das ist natürlich schade. Aber als Mathestudent geht es mir vor allem um die Frage, wie das Praktikum meiner beruflichen Perspektive nützt. Das tut es auch online. Und was dabei praktisch ist: Ich musste mir keine Unterkunft suchen und mich auch nicht mit den Einreisebestimmungen Großbritanniens auseinandersetzen. Außerdem kann ich neben meinem Praktikum weiter als Tutor an der  arbeiten.

Maresa Schröder: Ich verbrachte mein Praktikum damals vor Ort. Vor allem die Gespräche mit internationalen Kolleginnen und Kollegen aus Pakistan, Iran und der Türkei waren mir sehr wichtig. Dadurch habe ich viel gelernt, auch über andere Kulturen und Lebensweisen. Wir waren abends zusammen im Pub oder haben gemeinsam die Mittagspause verbracht – das hat uns als Team zusammengeschweißt. Wir stehen immer noch miteinander in Kontakt. Im Studierendenwohnheim habe ich mich in der gemeinsamen Küche unter anderem auch mit walisischen Studierenden unterhalten und sehr unterschiedliche Meinungen zum Brexit gehört. Die Menschen dort haben eine ganz eigene Mentalität, die auch mit der englischen nicht vergleichbar ist. Das hat mich überrascht.

Niclas Popp: Dieser Austausch, insbesondere der Smalltalk in den gemeinsamen Pausen, kommen bei meinem Online-Praktikum leider zu kurz. Dennoch bekomme ich viele Einblicke in die Biomathematik, speziell der Genexpression. Hierbei geht es darum, wie die genetische Information zum Ausdruck kommt oder als Phänotyp ausgeprägt wird. Das Team in Edinburgh nähert sich der Genregulation mit mathematischen Modellen an. Die Herausforderung ist, dass zahlreiche Gleichungen bislang nicht zu lösen sind. Diesen Bereich der Mathematik wollte ich unbedingt kennenlernen, da er komplett neu für mich ist.

Maresa Schröder: Das klingt interessant. Ich habe die Zeit damals in Wales ebenfalls zur Orientierung genutzt und an einer App für neurologische Erkrankungen mitgearbeitet. Das Projekt war dabei interdisziplinär angelegt und am Institut für Informatik angesiedelt. Mein Job lag im Bereich Data Science: Ich habe Zeitreihenanalysen von Sensordaten angefertigt, die ein Smartphone oder eine Smartwatch beim Laufen eines Patienten oder einer Patientin schickt. Personen, die beispielsweise an Parkinson erkrankt sind oder einen Schlaganfall hatten, haben ein anderes Gangbild als gesunde Menschen. Mithilfe der App können die Ärztinnen und Ärzte diesen Unterschied erkennen oder identifizieren, ob Medikamente weiterhin gut wirken. Das ist besonders praktisch für Patientinnen und Patientien, die im ländlichen Raum wohnen. Zur Verbesserung der Anwendung standen wir mit Forschenden und Doktorand:innen aus verschiedenen Fachbereichen in Kontakt, aus der Medizin, der Sportbiologie und der Informatik.

Niclas Popp: Ich habe mich zunächst allein eingelesen, habe mir bestehende Modelle und die aktuellen Veröffentlichungen angeschaut. Mittlerweile stelle ich selbst Berechnungen an, um eine Näherungslösung zu finden. Das ist für mich eine spannende Erfahrung, denn zu stochastischen Differenzialgleichungen, die gängige Differenzialgleichungen mit Wahrscheinlichkeitstheorie verknüpfen, habe ich in meinem Studium bislang nichts gelernt. Meine Arbeit kann ich mir dabei flexibel einteilen. Nur etwa einmal in der Woche gibt es einen fixen Termin, da diskutieren wir mit der Forschungsgruppe in einer Videokonferenz die neuesten Ergebnisse. Meine eigenen Ideen und Berechnungen bespreche ich spontan mit den Doktorandinnen und Doktoranden oder meinem Professor – per E-Mail, Messenger oder Video.

Maresa Schröder: Das war bei mir ähnlich. Ich konnte meinen Arbeitstag frei gestalten und mich bei Fragen oder Problemen immer an die Teammitglieder wenden. Nur an einzelnen Tagen, wenn Tests mit Patientinnen und Patienten geplant waren, hatte ich einen strikten Zeitplan. Da wir dazu in verschiedene Regionen fahren mussten, hatte ich während der Autofahrten die Gelegenheit, einen großen Teil des Landes zu sehen. Zudem durfte ich an in Cardiff, der Hauptstadt von Wales, an einer Schulung und auch bei einer mehrtägigen Konferenz zum Thema Schlaganfall teilnehmen. Es war toll, mit dem Team unterwegs zu sein, und dazu noch eine Abwechslung zur Arbeit am Computer.

Niclas Popp: Das war sicher eine gute Erfahrung. Das hätte ich mir auch gewünscht. Außerdem würde mich interessieren, wie Forschung an sich und insbesondere in Großbritannien funktioniert. Ich bin der erste in meiner Familie, der es sich vorstellen kann, als Wissenschaftler an einer Hochschule zu arbeiten – alle anderen sind als Handwerker:innen, Ingenieur:innen oder in anderen praktischen Berufen beschäftigt. Von der Forschungsarbeit habe ich allerdings leider noch nicht viel mitbekommen. Das liegt daran, dass ich den Doktorandinnen und Doktoranden oder meinem Professor nicht einfach mal bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen kann. Auch hier merke ich, wie wichtig der persönliche Kontakt, das normale Miteinander sein kann. Doch auch online profitiere ich sehr von meinem Praktikum. Ich habe viel über diese Anwendungsform der Mathematik gelernt, die sich an der Schnittstelle zur Physik befindet: Ein Thema, das mich bei meinem Master weiter beschäftigen wird. 

Maresa Schröder: Mir haben sich damals neue Horizonte eröffnet – und die einzigartige walisische Landschaft. Das regnerische Wetter hat mir allerdings etwas zu schaffen gemacht: 11 Grad Celsius sind für einen Sommerausflug nicht gerade ideal. Dennoch war ich viel mit dem Fahrrad oder per Bus und Bahn unterwegs, in kleine Städtchen, an die einzigartigen Steilküsten oder auch über die Grenze nach England. Das allein war die Reise nach Wales schon wert. 

Niclas Popp: Schottland und meine Forschungsgruppe würde ich natürlich auch gerne einmal kennenlernen. Ob sich für mich nach Corona die Gelegenheit ergibt, kann ich derzeit noch nicht absehen. Anfang August reise ich erstmal nach Schweden: An der  absolviere ich das erste Jahr meines Double-Degree-Masterstudiums in Mathematik und Physik. Die letzten zwei Semester werde ich dann an der TU München verbringen.

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