Drei Fragen zu Nachhaltiger Entwicklung: Ziel 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz

Agenda 2030
SDG Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz
Junge Aktivistin hält Schild gegen Klimawandel "Act now"
© Getty Images/coldsnowstorm

Wir sprachen mit Johanna Neumann, Senior Director für Energiekampagnen bei Environment America, über Klimawandel und Umweltschutz in den Vereinigten Staaten. Environment America ist ein landesweites Netzwerk 29 bundesstaatlicher Umweltgruppen mit Mitgliedern und Unterstützer:innen in jedem Bundesstaat. Der Fokus liegt auf aktuellen, gezielten Aktionen, die zu greifbaren Verbesserungen in der Umwelt- und Lebensqualität der Menschen führen. Zuvor leitete Neumann bereits die Kampagne für ein Rauchverbot an allen Arbeitsplätzen in Maryland und half den Bau eines neuen Atomreaktors am Ufer der Chesapeake Bay zu verhindern.

1014: Beobachten Sie angesichts der Tatsache, dass Naturkatastrophen in den Vereinigten Staaten ebenso wie auf der ganzen Welt an Anzahl, Häufigkeit und Ausmaß zunehmen, dass sich die Menschen in den USA mehr Gedanken um Klimawandel und Umwelt machen?

Johanna Neumann: Der Klimawandel findet hier und heute statt und die Auswirkungen sind in ganz Amerika zu spüren. Wir haben in diesem Jahr Rekord-Waldbrände erlebt, die mehr als 16.000 Quadratkilometer verwüstet und ganze Städte zerstört haben. Schwere Hurrikane hören nicht auf, mit zunehmender Häufigkeit und Intensität an unserer Golf- und Südatlantikküste zu wüten.

Währenddessen verursachen anhaltende Dürren Wasserknappheit, nicht nur in den Bundesstaaten im Westen, sondern auch im Nordosten, wo der Wasserstand der Flüsse 10% des Durchschnitts beträgt.
Je spürbarer die Auswirkungen des Klimawandels werden, desto mehr Amerikaner:innen äußern ihre Bedenken. Eine des Yale-Programms für Klimakommunikation stellte kürzlich fest, dass sich 63 Prozent der Amerikaner:innen über den Klimawandel Gedanken machen. Dieselbe Studie fand heraus, dass diejenigen, die sich am meisten Sorgen um den Klimawandel machen, in der Regel in Gegenden leben, in denen schwerwiegende Klima-Auswirkungen wie Waldbrände, heftigere Hurrikane, extreme Hitze und ein Anstieg des Meeresspiegels Teil des Alltags geworden sind.

Allerdings glauben weniger als die Hälfte der Amerikaner:innen, dass der Klimawandel ihnen persönlich schaden wird, obwohl sie die Auswirkungen des Klimawandels erleben.

Diese Daten legen nahe, dass Amerikaner:innen auf ihre Unabhängigkeit und Selbstständigkeit stolz waren und sind. Das sollte niemanden überraschen, der die amerikanische Kultur erlebt oder amerikanische Geschichte oder Soziologie studiert hat. Die Vorstellung, dass Menschen sich eigenständig schützen und wenn nötig individuell handeln können, um eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder zu schaffen, ist tief in der amerikanischen Psyche verwurzelt. Diese Betonung auf individuellem Handeln durchdringt in Amerika die öffentliche Meinung zu einer ganzen Reihe von Themen, darunter auch der Klimawandel.

Amerikanische Klimaaktivist:innen müssen Durchschnittsamerikaner:innen die Zusammenhänge aufzeigen und vermitteln, wie der Klimawandel ihr Leben und das ihrer Kinder bedroht – und sei es nur indirekt. Das ist entscheidend.

Aber auch wenn die Stimmen für Klimaschutzmaßnahmen lauter werden, ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass es andere Ansätze gibt. Ein Ansatz kann sein, die Umsetzung von Klimaschutzlösungen vom Klimawandel als Thema abzukoppeln. Es gibt reihenweise Gründe, Klimaschutzlösungen wie erneuerbare Energien, fußgänger- und fahrradfreundliche Gemeinden, ausgebaute und verbesserte öffentliche Verkehrsmittel und Energieeffizienz umzusetzen, ohne das Wort Klima auch nur zu erwähnen. Diese Lösungen erhöhen die Lebensqualität, verbessern die Gesundheit, machen unsere Luft sauberer und sind wirtschaftlich sinnvoll. Entscheidend ist dabei, dass diese Lösungen auch von denjenigen unterstützt werden können, die sich keine Sorgen machen oder Aktionen gegen den Klimawandel nicht positiv gegenüberstehen. Meiner Erfahrung nach muss man die Leute dort abholen, wo sie sind, und nicht dort, wo man sie gerne hätte. Und dass wir durch inkrementelle Fortschritte nicht nur Herzen und Köpfe für das Klima gewinnen, sondern gleichzeitig auch eine sauberere und grünere Welt schaffen können.

1014: Was ist Ihre Mission bei Environment America und welche Mittel setzen Sie ein, um Ihre Ziele zu erreichen? Können Sie einige der Herausforderungen beschreiben, die Sie im Arbeitsalltag erleben? Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?

Johanna Neumann: Die Mission von Environment America ist es, die Macht unserer Vorstellungskraft und unserer Ideen in Veränderungen umzusetzen, die die Welt zu einem grüneren und gesünderen Ort für alle machen.

Wir erforschen die Herausforderungen für unsere Umwelt und setzen uns für Lösungen ein. Über Forschungsberichte, Pressekonferenzen, Interviews mit Reporter:innen, Zeitungskommentare, Leserbriefe und andere Methoden klären wir die Öffentlichkeit darüber auf, was auf dem Spiel steht und was wir tun können. Unsere Aktivist:innen und Initiator:innen gehen unter die Leute – in der Öffentlichkeit, von Tür zu Tür und online –, klären auf, rekrutieren neue Unterstützer:innen und Aktivist:innen und sichern Gelder zur Förderung unserer Arbeit.

Die größten Herausforderungen bei unserer Arbeit sind im Moment die Polarisierung, die die politische Landschaft Amerikas prägt, sowie die Dringlichkeit und Bandbreite, die der Schutz des Klimas erfordert.

Früher war die Umwelt ein Thema, das über Parteigrenzen hinausging, und das sollte sie auch sein. Richard Nixon, ein Republikaner, war einer der amerikanischen Präsidenten, die sich am stärksten für die Umwelt einsetzten. Unter Nixon wurden die Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) geschaffen und Amerikas richtungsweisende Umweltgesetze wie der Clean Water Act zum Schutz von Oberflächengewässern, der Clean Air Act zur Reinhaltung der Luft, der Endangered Species Act zum Schutz gefährdeter Arten und der National Environmental Policy Act zur Nationalen Umweltpolitik erlassen.

In den letzten 40 Jahren ist viel passiert; wie vieles andere sind Umwelt und Gesundheit heute polarisiert. Der Einsatz für den Schutz unserer Luft, unseres Wassers und unserer Freiflächen wurde von vielen unter dem „progressiven“ Etikett zusammengefasst. Da Environment America in seiner Arbeit Wert darauf legt, der Umwelt Priorität einzuräumen, sitzen wir mit diesem Ansatz manchmal zwischen allen Stühlen.

Ich habe manchmal das Gefühl, als stünden wir auf einem Stück Stoff, das von beiden Seiten auseinandergezogen wird. Auf der linken Seite entscheiden sich viele unserer progressiven Verbündeten dafür, Umweltpolitiken, die wir unterstützen, mit anderen Sozialpolitiken zu bündeln, zu denen wir keine Position haben. Das bringt uns in eine knifflige Lage, weil wir nicht die gesamte Agenda unterschreiben können. Auf der rechten Seite werden konservative Verbündete, die womöglich in Bezug auf Landschaftsschutz oder Zugang zu sauberem Wasser auf unserer Seite sind, zunehmend in Opposition zu jeglicher staatlichen Regulierung hineingezogen.
Klimaschutzmaßnahmen sind dringend und breit gefächert. Aber das Land ist politisch nicht bereit für den umwälzenden Schwung von Maßnahmen, der nötig ist, um das Problem zu lösen. Das Nötige mit dem Möglichen unter einen Hut zu bringen und auf einen breiteren Wandel hinzuarbeiten, ist eine enorme Herausforderung.

Was mir bei meiner Arbeit Kraft gibt, sind die Fortschritte, die wir erlebt haben. Als ich im Jahr 2001 mit politischer Organisation anfing, brachte meine erste Kampagne Studierende und Fakultätsmitglieder des West Los Angeles Community College zusammen, um dessen Verwaltung aufzufordern, sich zu verpflichten, bis 2020 20 Prozent ihres Campus mit Solarenergie zu versorgen. Heute hat sich das College, zusammen mit allen anderen Community Colleges in Los Angeles und dem gesamten System der University of California, dazu verpflichtet, seinen Campus mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu versorgen. Ebenso hat die Zunahme erneuerbarer Energien in den Vereinigten Staaten in den letzten zehn Jahren selbst unsere wildesten Vorhersagen übertroffen. Der Fortschritt, den wir bis heute erlebt haben, gibt mir die Zuversicht, auch weiterhin ambitionierte Ziele zu verfolgen.

1014: Was sollte Ihrer Meinung nach in einer idealen Welt noch getan werden, um den Klimawandel und den Schutz der Umwelt auf lokaler, regionaler und globaler Ebene anzugehen?

Johanna Neumann: In einer idealen Welt würden wir auf jeder Ebene unserer Gesellschaft den Reichtum der Welt um uns herum erkennen und uns entsprechend verhalten.Schließlich leben wir in einer Zeit nie dagewesenen materiellen Überflusses. Vor zweihundert Jahren wurden die Probleme, mit denen die Gesellschaft kämpfte, durch Mangel bestimmt – nicht genug Nahrung, Brennmaterial oder Obdach zum Überleben zu haben. Das ist nicht mehr der Fall. Global gesehen produzieren wir genug Nahrungsmittel, um alle satt zu bekommen. Wir haben genügend Textilien, damit alle etwas zum Anziehen haben. Die gerechte Verteilung dieser Ressourcen ist nach wie vor eine Herausforderung, aber die Realität ist, dass global gesehen von allem genug da ist.

Unser Leben ist nicht mehr durch materiellen Mangel definiert. Tatsächlich wird mehr und mehr das Gegenteil zur Realität. Die Überproduktion an Dingen, die wir nicht brauchen, führt zu vielen der schlimmsten Umweltprobleme, mit denen wir konfrontiert sind.

Nehmen wir beispielsweise die Art, wie wir Energie erzeugen und verbrauchen. Zahlreiche Studien legen nahe, dass wir über die Technologie verfügen, die Kraft der Sonne und des Windes nutzbar zu machen, um jeden Aspekt der modernen Gesellschaft mit Energie zu versorgen. Und dennoch verbrennen wir weiterhin fossile Brennstoffe, die überlebensnotwendige Ressourcen – wie saubere Luft und sauberes Wasser – zerstören, um Energie zu produzieren, von der wir dann letzten Endes vieles über ineffiziente Geräte, undichte Fenster und andere verschwenderische Praktiken vergeuden.

Ein weiteres Beispiel ist Einwegplastik. Im Pazifik treibt eine riesige Plastik-„Insel“, viermal so groß wie Deutschland. Neun von zehn Seevögeln haben Plastik in ihrem Verdauungstrakt und viele sind deshalb unterernährt oder sterben. Dennoch produziert die Kunststoffindustrie nach wie vor Einwegplastik in Rekordhöhe, obwohl die kurzfristigen Annehmlichkeiten von Plastiktüten oder -flaschen die langfristigen Konsequenzen dieser Verschmutzung nicht einmal annähernd rechtfertigen können.

Wir müssen erkennen, dass die Hürden von Gestern verschwinden können und dass für den Aufbau einer saubereren, grüneren Zukunft neue Ideen und Aktionen nötig sind. Diese Aktionen können vielerlei Form annehmen und auf jeder Ebene der Gesellschaft stattfinden, von Washington DC über die Bundesstaaten und Ortschaften bis in die Vorstandsetagen.

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