KI in der Hochschullehre: Innovation, Risiko und Verantwortung
- 2025-05-07
- Christina Pfänder
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Der Blick in die Hörsäle zeigt: Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Hochschulbildung. Lehrende, Forschende und Studierende profitieren gleichermaßen von der fortschreitenden Entwicklung – dank neuer Möglichkeiten, das Lernen effizienter, individueller und zugänglicher zu gestalten.
Schwingungen, Felder, Wellen – die Welt der Physik ist faszinierend, aber oft schwer zu fassen. Dr. Paul Kuria Kamweru, außerordentlicher Professor für Physik an der Chuka University in Kenia, setzt auf Künstliche Intelligenz, um abstrakte Phänomene mittels Visualisierung anschaulich zu vermitteln. „Gerade bei einem klassischen Thema wie elektromagnetischen Wellen leisten Simulationen einen entscheidenden Beitrag zum besseren Verständnis“, sagt er. Auch für interaktive Präsentationen und Prüfungsfragen nutzt Kamweru die neue Technologie: „Ich erstelle damit Aufgaben, die alle Stufen abdecken, von einfachem Wissen bis zur kritischen Anwendung und Bewertung“, sagt er. So könne er das Niveau gezielt an Bachelor-, Master- oder Promotionsstudierende anpassen. Außerdem ermöglichen es ihm die Tools, theoretische Inhalte in praxisnahe Szenarien zu übersetzen – und bei Bedarf mit realitätsnahen Daten zu ergänzen. Für Kamweru ist klar: „KI-gestützte Werkzeuge machen meine Arbeit effizienter, den Unterricht lebendiger und das Lernen zugänglicher für meine Studierenden.“
Individuelles Lernen im Studium: Innovative Lehrmethoden mit KI
Auch Dr. Tosin Adewumi, Postdoktorand an der Luleå University of Technology in Schweden und Experte für Maschinelles Lernen sowie natürliche Sprachverarbeitung, sieht großes Potenzial von . „In unseren Mathematikkursen mit rund 500 Studierenden ist eine persönliche Betreuung durch Lehrkräfte kaum möglich“, erklärt er. Stattdessen werde KI gezielt eingesetzt, um individuelles Lernen zu unterstützen und direktes Feedback zu geben. Ein Beispiel dafür ist sein innovatives Lehrkonzept, das mehrere Ansätze kombiniert: Ein „sokratischer Dialog“ mit gezielten Zwischenfragen regt das selbstständige Denken an, während das „Chain-of-Thought“-Denken, bei dem die KI ihre Lösungsschritte erklärt, das Verständnis komplexer Themen erleichtert. Zusätzlich sorgen spielerische Elemente für Abwechslung, und die Studierenden erhalten personalisiertes Feedback zu ihrem Lernfortschritt.
Warum viele Lehrende noch zögern, KI einzusetzen
Dass viele Lehrkräfte weltweit dennoch noch zögern, KI in ihre Lehre einzubinden, zeige eine Fallstudie mit dem Titel „Generative AI and Teachers – For Us or Against Us?“, an der Tosin beteiligt war. „Die Unsicherheit an den Hochschulen ist weltweit groß“, erklärt er. „Da Studierende KI jedoch ohnehin nutzen, halte ich es für sinnvoll, ihnen den reflektierten und verantwortungsvollen Umgang damit beizubringen.“
KI in der Forschung: Effizientere Analysen und kreative Unterstützung
Denn auch die Forschung kann von KI als einem leistungsfähigen Werkzeug profitieren: zur Analyse großer Datenmengen, Mustererkennung und Hypothesengenerierung oder zur Simulation komplexer Systeme. Hilfreich ist zudem die automatisierte Literaturrecherche: Relevante Publikationen lassen sich mit KI-gestützten Such- und Klassifikationssystemen leichter identifizieren und strukturieren. Zur Generierung von Ideen oder zum Erstellen von Dokumenten kommen so genannte große Sprachmodelle, Large Language Models (LLMs), zum Einsatz. „Durch die vielfältigen Möglichkeiten von KI erleben wir im Bereich der Hochschulbildung derzeit einen enormen Wandel“, sagt Adewumi.
Neue Prüfungsformate und Risiken durch KI-Fehlinformationen
Damit einher gehe auch eine Veränderung der Prüfungsformate: Aus Sorge vor KI-Missbrauch bei schriftlichen Arbeiten wie beispielsweise Plagiaten greifen einige Hochschulen verstärkt auf mündliche Prüfungen zurück. Ein noch größeres Risiko, das der Einsatz von KI mit sich bringt, sieht Adewumi in Fehlinformation durch so genannte Halluzinationen. „Mit technologischen Modellen wie Retrieval-Augmented Generation-Systemen, die Informationen aus verlässlichen Quellen einbinden, lässt es sich allerdings deutlich reduzieren“, sagt er. Weitere Schwierigkeiten wie Voreingenommenheit in den Trainingsdaten, etwa in Bezug auf Geschlecht oder Herkunft, erforderten ein kritisches Bewusstsein der Nutzerinnen und Nutzer.
Kritischer Umgang mit KI: Schulungen, Ethik und Herausforderungen
Kamweru betont deshalb die Notwendigkeit gezielter Schulungen für Lehrende und Studierende sowie klare Richtlinien für den Umgang mit KI. „Ohne verbindliche Vorgaben herrscht oft Unsicherheit – etwa in Fragen des Datenschutzes, der Ethik oder der zulässigen Nutzung“, erklärt er. „Gleichzeitig ist die technische Infrastruktur nicht überall ausreichend vorhanden oder fair verteilt, was bestehende Ungleichheiten im Bildungssystem weiter verstärken kann.“ Zudem warnt er vor einer Abhängigkeit: „Wenn KI unreflektiert genutzt wird, kann das die Fähigkeit zum eigenständigen Denken und Problemlösen beeinträchtigen.“ Dennoch fördere KI die Demokratisierung des Lernens, da es allen Lernenden und Hochschulen Zugang zu hochwertigen Materialien bietet. „KI-gestützte Online-Kurse können teure Lehrbücher ersetzen und sorgen für eine flexible Gestaltung der Lernzeit“, sagt Kamweru.
Drei zentrale Säulen für den verantwortungsvollen KI-Einsatz in der Bildung
Nicht zuletzt deshalb plädiert er für eine nachhaltige Integration von KI in die Hochschulbildung, gestützt auf drei zentralen Säulen: die konsequente Einbindung ethischer Grundsätze, die gezielte Förderung eines kritischen Umgangs mit KI-generierten Inhalten sowie die Entwicklung von Prüfungsformaten, die kreatives und eigenständiges Denken in den Mittelpunkt stellen. „So kann KI verantwortungsvoll und bildungswirksam eingesetzt werden.“