Moderne Wissenschaftskommunikation: Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

Frau hält eine anschauliche wissenschaftliche Präsentation
© Getty Images/jacoblund

Klimawandel, Pandemie, sicherheitspolitische Fragen, Digitalisierung: Die Menschheit steht vor komplexen Aufgaben, die ohne wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zu bewältigen sind. Gleichzeitig ist die Wissenschaft auf das Vertrauen und das Verständnis der Politik und Gesellschaft angewiesen – und eine Diskussion zwischen den Akteurinnen und Akteuren damit unerlässlich. Gemeinsam mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen engagiert sich der DAAD für die Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation und hat dazu Ende 2021 über das Alumniportal Deutschland eine Online-Seminarreihe für DAAD geförderte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veranstaltet.

Welche Technologien versprechen einen Ausweg aus der Klimakrise? Inwiefern könnte Künstliche Intelligenz unseren Alltag und unsere Arbeitswelt verändern? Und wie gelingt es, uns vor Krankheiten wie Covid-19 zu schützen? Für wegweisende Entscheidungen in Politik und Gesellschaft werden fakten- und wissenschaftsbasierte Informationen aus der Forschung zunehmend wichtiger – und so auch der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. „Dafür muss die Wissenschaft näher an die Menschen heranrücken“, sagt Henning Rickelt, Geschäftsführer des Zentrums für Wissenschaftsmanagement e.V. (ZWM), der die Online-Fortbildung zum Thema Wissenschaftskommunikation organisierte. „Die Kunst dabei ist es, Laien komplexe Sachverhalte zu vermitteln und mit ihnen in den Diskurs zu treten.“ Moderne Wissenschaftskommunikation sei dialogorientiert, partizipativ und transparent – und stelle einen Paradigmenwechsel dar. „In diesem Feld existieren bislang nur wenige Traditionen oder etablierten Prozesse“, sagt er. „Aktuell werden neue Rahmenbedingungen und Ressourcen geschaffen, beispielsweise mit Initiativen, die Wissenschaft und Öffentlichkeit zusammenbringen, oder Qualifikationsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“

An einer Erweiterung der  arbeitet auch der DAAD: Er beteiligt sich am #Factory Wisskomm-Prozess des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und hat gemeinsam mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen einen 10-Punkte-Plan zur Wissenschaftskommunikation entwickelt. Mit der Online-Fortbildung richtete er sich an DAAD geförderte Graduierte sowie Postdoktorandinnen und Postdoktoranden. Die Teilnehmenden lernten unter anderem anhand ihrer eigenen Forschungsergebnisse, welche Aspekte für die Öffentlichkeit relevant sind und mit welchen Methoden sie ihre Arbeit am besten präsentieren.

Teilnehmende in diesem Interview

Gelungene Kommunikation als Garant für mehr Relevanz

So wie DAAD-Alumna Dr. Friederike Adams, die in einer Kooperation an der Universität Stuttgart und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen arbeitet und die Forschungsgruppe zu Präzisionspolymeren für pharmazeutische Anwendungen leitet. „Der Workshop hat mir insbesondere beim Schreiben und Redigieren von Texten wie beispielsweise Pressemitteilungen sehr geholfen“, erklärt Adams. Die Tipps, die sie im Seminar erhalten habe, seien einfach umzusetzen und ein fester Bestandteil ihrer Arbeit geworden. „Meilensteine der Medizin oder Pharmazie, die eine praktische Relevanz haben, sind für jeden Menschen von Interesse“, erklärt sie. „Eine gelungene Kommunikation ist ein Garant dafür, dass die eigenen Forschungsdaten an Relevanz gewinnen und nicht missverstanden werden.“

Die sprachliche Gestaltung dem Gegenüber anpassen: „Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es oft ein großer Schritt, sich zu beschränken, mit Beispielen zu arbeiten und die hohe Abstraktionsebene zu verlassen“, sagt Dr. Katja Flieger, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen von Medientraining für Wissenschaftler*innen die Seminar-Reihe gestaltete. „Dabei ist es beispielsweise für Interviews, Pressemitteilungen oder auch Vorträge notwendig, Inhalte zu reduzieren.“

Perspektivwechsel: Das Fazit immer zuerst

Auch der typische Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit sei für den öffentlichen Diskurs nicht geeignet. „Wir raten immer, mit dem Fazit also der Essenz der eigenen Arbeit zu beginnen“, sagt Monika Wimmer von Medientraining für Wissenschaftler*innen. „Durch unser Feedback und das der Gruppe bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Gefühl dafür, was Personen interessiert, die nicht dem eigenen Forschungsbereich angehören. Der Perspektivwechsel ist äußerst wertvoll.“

Texte und Sätze klar zu strukturieren, die Kernbotschaft der Aussage herauszustellen und eine einfache Sprache zu verwenden – Leitsätze, die Dr. Vincent Lugert als wichtige Kommunikationsstrategien aus den DAAD-Seminaren in seinen beruflichen Alltag integriert hat. Lugert, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Aquakultur ein Nationales Tierwohl-Monitoring vorbereitet, ist bei seiner Arbeit mit verschiedenen Interessensgruppen konfrontiert.

„Tierwohl ist ein Thema von politischer und gesellschaftlicher Bedeutung, gleichzeitig polarisiert es sehr stark“, erläutert er. Eine unmissverständliche, klare Präsentation der Forschungsergebnisse sei damit für Wissenschaftler seines Fachs umso wichtiger. „Durch den modularen Aufbau hat das Trainer-Team die Inhalte sehr strukturiert und stringent vermittelt“, sagt Lugert. „Effektiv waren auch die zahlreichen praktischen Übungen und die vielen Anregungen, die wir erhalten haben.“ 

Zur praktischen Expertise zählten unter anderem die Arbeit an einer überzeugenden Präsentation sowie Kameratrainings. „Viele haben zunächst Scheu davor, sich selbst zu sehen und zu hören“, sagt Monika Wimmer. „Durch die Rückmeldung der Gruppe verlieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber ihre Angst und bemerken, dass sie viel klarer und besser sind als zunächst vermutet.“ Zudem übten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Bespielen von Social-Media-Kanälen und diskutierten deren Chancen, Grenzen und Einsatzmöglichkeiten.

Trainerinnen und Trainer in diesem Interview

„Man darf den Ethos der Wissenschaft nicht vernachlässigen“

„Bei Twitter, Facebook oder LinkedIn geht es vor allem um Aufmerksamkeit, nicht um eine evidenzbasierte Darstellung der Forschungsergebnisse. Trotzdem darf man das Ethos der Wissenschaft nicht vernachlässigen“, sagt Dr. Patrick Honecker, Chief Communication Officer an der Technischen Universität Darmstadt. Der Kommunikationsexperte unterstützte das Trainer-Team und erweiterte das Seminar um die Perspektive einer Hochschulleitung. In einem informellen „Media Dinner Talk“ stellte er sich den Fragen der Teilnehmenden, die unter anderem Risiken der Social-Media-Plattformen thematisierten. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, was es heißt, wenn ein Teil der Bevölkerung nicht versteht, wie Wissenschaft arbeitet“, sagt Honecker. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Polemik ausgesetzt sind, sollten sich fragen, welche Diskussionen sie führen möchten und sich Unterstützung ihrer Einrichtung holen. Im Unterschied zur klassischen Öffentlichkeitsarbeit gehe es jedoch nicht darum, die Interessen der eigenen Institution an bestimmte Zielgruppen heranzutragen. „Vielmehr ist Wissenschaftskommunikation, wie wir sie heute verstehen, dem Topos der Wissenschaft verpflichtet. Damit soll sie auch auf Fehler im System und offene Fragen hinweisen.“

Storytelling in der Wissenschaft

Die Funktions- und Arbeitsweisen von Wissenschaft deutlich machen – das möchte auch Seminarteilnehmerin Sarah von Hagen, die an der Georg-August-Universität Göttingen im Fach Mittlere und Neuere Geschichte zum Thema militärische Gewalt auf See im 18. Jahrhundert promoviert. „Ich will zum Beispiel zeigen, wie Quellen überprüft und interpretiert werden oder welche Bedeutung historische Forschung für unsere Gesellschaft hat“, sagt sie. Aus der Erforschung von Seeschlachten ergeben sich zwar keine unmittelbaren Ratschläge oder Lösungen für zukünftige kriegerische Konflikte – wohl aber eine kritische Auseinandersetzung mit der europäischen Geschichte. „Meine Forschung verstehe ich als Teil einer Antikriegsgeschichte, die Gewalt delegitimiert: Im Kern geht es für mich darum, mit der Öffentlichkeit Geschichtsbilder zu diskutieren, sie kritisch zu hinterfragen und nationalgeschichtliche Mythen aufzubrechen.“ Die DAAD-Fortbildung habe ihr dafür unterschiedliche Strategien an die Hand gegeben.  „Die eindrucksvollste Methode ist für mich das Storytelling, also Forschungsergebnisse und Arbeitsweisen in Form einer Geschichte erfahrbar zu machen“, erläutert von Hagen. 

Im April startet der DAAD eine zweite Reihe der Online-Fortbildung. Bewerben können sich aktuell und ehemalige DAAD-Geförderte, die promovieren oder ihre Promotion bereits abgeschlossen haben. Auch hier erwartet die Teilnehmenden in Grund- und Aufbaumodulen die Grundlagen einer gelungenen Wissenschaftskommunikation: mit „Goldenen Regeln“ zum Präsentieren, Schreiben, Auftreten vor der Kamera und dem . „Wir freuen uns bereits auf die nächste Runde“, sagt Flieger. „Kommunikation ist etwas Wichtiges, ebenso wie ein Labor zu leiten oder einzelne Versuche zu beherrschen.“

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