KI im Studium und in der Forschung – Chancen und Probleme

Ein Team von Ingenieuren führt ein Experiment mit Robotern durch. Nahaufnahme eines futuristischen Prothetikroboterarms, der von einem professionellen Entwicklungsingenieur getestet wird.
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KI - Ein technischer Meilenstein oder eine Gefahr für die Wissenschaft?

Wenn wir in zehn Jahren auf das Wintersemester 2022 zurückblicken, sehen wir es vielleicht als Meilenstein in der Geschichte des Hochschulstudiums: das Semester, in dem sich die Art, wie junge Menschen lernen, ganz plötzlich grundlegend verändert hat. Der Grund dieses Wandels ist der Einsatz generativer künstlicher Intelligenz (KI), also die Verwendung von KI-Modellen, die selbstständig Inhalte wie Texte, Bilder und Tondateien erstellen können. 

Abanda Pacilia hat die Veränderung, die mit der Einführung des KI-Tools ChatGPT begann, genau beobachtet. „Es war zunächst keine große Sache, als Studierende anfingen, es zu verwenden“, sagt die Kamerunerin, die derzeit an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg ein Masterstudium im Fach Künstliche Intelligenz absolviert. Dann fiel aber immer mehr Professorinnen und Professoren auf, dass etwas nicht stimmte. Zum Beispiel wurde bei von Studierenden gehaltenen Referaten oft deutlich, dass sie das Thema, über das sie sprachen, nicht wirklich verstanden hatten. Das war auch kein Wunder, da der Inhalt ihrer Referate und auch ihre schriftlichen Arbeiten gar nicht von ihnen selbst stammte. Statt die Informationen selbst zusammenzustellen, hatten sie dies dem KI-Tool überlassen.  

Abanda berichtet, dass die Professorinnen und Professoren Arbeiten und Referate für ungültig erklärt hätten, deren Inhalt die Studierenden offensichtlich nicht selbst verfasst hatten. Was aber nicht bedeutet, dass man den Studierenden verbot, das Tool zum Lernen zu nutzen. „Die Professorinnen und Professoren haben uns ermuntert, das KI-Tool zu verwenden, um Aufgaben besser zu lösen – aber nicht um unsere letztendlichen Ergebnisse zu produzieren“, erklärt die 27-jährige Studentin. 

Sie findet diesen Ansatz richtig: „Ich glaube, einige der Studierenden sind durch ChatGPT ein bisschen faul geworden.“ Viele hätten einfach die vom Tool gelieferten Inhalte übernommen, ohne sich die Mühe zu machen, die Hintergründe zu verstehen.  

Künstliche Intelligenz im Studium?

Abanda Pacilia ist jedoch der Meinung, dass KI-Tools Studierenden dabei helfen können, die gelernten Inhalte noch besser zu verstehen. Sie verwendet zum Beispiel ChatGPT, um beim Schreiben von Hausarbeiten eine Herangehensweise an schwierige Themen zu finden. So seien ihr zuletzt einzelne Algorithmen erklärt worden, die für eine Hausarbeit über Statistik eine Rolle gespielt hätten. 

Abanda erzählt weiter, dass ChatGPT und ähnliche Tools auch Ideen für die Struktur von Hausarbeiten liefern können. Sie geben ihr Tipps dazu, was in der Einleitung zu einem bestimmten Thema stehen sollte und welche Punkte und Unterpunkte sie im weiteren Verlauf zu einer bestimmten Fragestellung berücksichtigen sollte. „Darauf kann man aufbauen und dann die Inhalte der einzelnen Abschnitte selbst erstellen“, sagt die Studentin. 

Insgesamt findet Abanda KI-Tools wie ChatGPT sehr hilfreich: „Sie helfen mir dabei, meine Aufgaben schneller zu erledigen.“ Das sei auch das, was sie an KI so begeistere: „Die Technologie kann uns im Alltag bei vielem helfen - beim Studieren, zu Hause und sogar in der Geschäftswelt.“ 

Wie kann die KI zum Fortschritt in den Naturwissenschaften verhelfen?

Auch Xuemei Gu verwendet täglich KI-Tools. Die Postdoktorandin ist als Humboldt-Stipendiatin am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen tätig. Dort ist sie Mitglied einer Forschungsgruppe, die sich mit der Frage befasst, wie die neue KI zu konzeptionellen Fortschritten in der Physik und insbesondere in Quantenphysik und Quantenoptik beitragen kann. ChatGPT verwendet sie zum Beispiel zur Erstellung und Verbesserung des Programmcodes der Algorithmen, an denen sie arbeitet. „Das Tool kann viele wertvolle Vorschläge liefern, um meinen ursprünglichen Code zu beschleunigen und Lösungen vorschlagen, wie man Speicherplatz sparen kann, die mir zuvor nicht bekannt waren“, erklärt sie und berichtet, dass sie durch diese Unterstützung beim Programmieren häufig viel Zeit spare. 

Den Code, den sie erstellt, nutzt sie für KI-Anwendungen, an denen sie in Erlangen arbeitet. Derzeit arbeitet sie beispielsweise an einem Tool, das fächerübergreifende Ideen und Ansätze für die Zusammenarbeit von Forschenden vorschlagen kann: „Das Ziel ist, Forschende zu inspirieren und den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen.“ Dennoch sieht Xuemei auch mögliche Nachteile der Technologie. „Wenn die Forschenden sich nur auf die Ideen des Tools verlassen, besteht die Gefahr, dass alle sich auf die gleichen Themen konzentrieren“, sagt sie und erklärt weiter: „Das ist aber kein Fehler des Tools. Es geht eher darum, wie die Forschenden es verwenden.“ 

In einem anderen Projekt entwickelt sie eine KI, die neue quantenoptische Techniken für Teleskope und Mikroskope entwickelt. Hier sieht sie sich vor einer weiteren Herausforderung: Es ist oft nicht nachvollziehbar, wie die KI zu einem Ergebnis gekommen ist. Die Lösungen sind für den Menschen nicht immer klar verständlich. „Es stellt sich also die Frage, ob man der KI vertraut“, sagt Xuemei: „In manchen Fällen braucht man für eine korrekte Bewertung ein gewisses Maß an Expertise.“ 

Wichtig ist auch zu wissen, mit welchen Daten die KI trainiert wurde. Die frei verfügbare Version von ChatGPT nutzt zum Beispiel Informationen, die bis September 2021 verfügbar waren. „Wenn man an einem sehr aktuellen Thema arbeitet, ist es also nicht sinnvoll, das Tool zu verwenden“, stellt Abanda Pacilia fest: „Die Informationen können nämlich sehr schnell veralten.“ Deshalb hält sie es für wichtig, auf aktuelle Forschungsarbeiten aus Datenbanken zugreifen zu können.  

Abanda ist der Meinung, dass es letztendlich darauf ankäme, wofür man die KI-Tools benutze, weshalb ein vollständiges Verbot der Tools an Universitäten keine gute Lösung sei. „Die Tools können dabei helfen, neue Problemlösungsansätze zu finden – und auch dabei, bessere Ergebnisse zu erzielen.“ 

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