Remote oder Präsenz? Hybrid!

Wie können Hybrid-Meetings aussehen, in denen sich alle gleich einbezogen fühlen? © Getty Images/alvarez

Im letzten Lockdown-Winter sorgten zwei Dinge für mehr Pep in meinem monotonen Alltag: Wohnungsbesichtigungen und Gespräche zur hybriden Arbeit, also der Kombination aus Arbeiten im Büro und von zu Hause aus. Die Wohnungssuche war zwar unterhaltsam, ging aber immer gleich aus: viel Geld für wenig Qualität. Beim hybriden Arbeiten stieß ich auf mehr Dynamik.

Das Ganze fing bei einem Lauf an. Ein Freund und ich joggten durch verschneite Felder, beklagten die Isolation und digitale Müdigkeit. „Ihr Verhalten wird uns irgendwann auch jeden Tag wieder ins Büro zurückbringen“, rief er. Seine Prognose bezog sich nicht auf das Management, sondern auf die Mitarbeiter*innen, die gern im Büro arbeiten. Fünf Tage die Woche. Wenn sie da festsitzen, sind sie besser informiert, werden mehr gesehen und bilden mit anderen Büro-Stammgästen Koalitionen, die Remote-Mitarbeitende nicht aufbauen können.

Ich fragte mich also, gibt es bald eine geteilte Gesellschaft: zum einen die Beschäftigten, die von zu Hause arbeiten, zum anderen die Büro-Stammgäste? Ich nahm diese Frage mit in ein internes Netzwerktreffen bei Siemens. Ungleiche Kommunikationsmöglichkeiten für diejenigen im Büro beziehungsweise zu Hause waren dabei nur ein Puzzleteil. Für manche war der Wunsch, wieder ins Büro zurückzukehren sehr verständlich: Zum Beispiel für Mitarbeiter*innen, die sich daheim – umgeben vom Lärm der Waschmaschine und Kinderschreien – nicht konzentrieren können und sich nach einem Rückzugsort im Büro sehnen. Außerdem gibt es eben auch die Sorge um Frauen, die sich tendenziell eher um die Care-Arbeit kümmern, deshalb mehr im Homeoffice bleiben und dadurch unsichtbarer werden. Und was ist mit den Risikogruppen, die bis zur Herdenimmunität daheimbleiben müssen? Das hybride Arbeiten wirft also viele Fragen auf.

Büro-Transformation

Ich selbst frage mich nach dem Homeoffice-Jahr: Wofür brauchen wir Bürotage? Früher schaltete das Büro eine unsichtbare Taste in unserem Kopf ein: „Jetzt arbeiten!“. Während der Pandemie lernten wir, ohne diesen Rahmen produktiv zu arbeiten. Im Hybrid-Modell könnte das Arbeiten im Büro künftig anders aussehen: laut, mit mehr Gruppenarbeit und mehr Austausch über Gott und die Welt. Kein anderer Kommunikationsort – virtuell oder physisch – wird uns mit Kolleg*innen und der Firma stärker verbinden. Viele Unternehmen reagieren darauf. Siemens hat beispielsweise in seinen Bürogebäuden viele Einzelarbeitsplätze in Begegnungsorte umfunktioniert. Nach der langen Pause sind auch die Mitarbeitenden gefragt, die persönliche Kommunikation vor Ort kreativer zu gestalten. Wie wäre es, neue Meeting-Formate an der frischen Luft, am Kickertisch oder im Park nebenan auszuprobieren? Die neue Bürowelt steht für ein lebendiges Zusammenkommen.

Vertrauen und Präsenzkultur

Langsam sind wir mit der Frage durch: „Arbeitest du heute oder bist du im Homeoffice?“ Die Remote-Arbeit funktioniert, . Doch sorgt sie für Nachteile bei der Sichtbarkeit. Es ist eine simple Logik: Je öfter ich jemanden sehe, desto leichter kann ich mich an sie oder ihn erinnern. Und davon profitiert man dann bei der Projektvergabe oder sonstiger Förderung. Vor Ort gesehen zu werden, ist also ein unaufdringlicher, aber effektiver Karriere-Booster. Jagt der Sichtbarkeitswunsch uns also wieder an die Bürotische? Aus meiner Sicht helfen hier zwei Aspekte: Vertrauen und Verständnis. In einem Hybrid-Modell ist das Vertrauen die Währung aller Beteiligten. Das Vertrauen auf Basis eines positiven Menschenbildes erlaubt „die neue Arbeit“: Wer öfter von zu Hause arbeitet, der ist genauso fleißig wie diejenigen im Büro. Auch unser Verständnis der Präsenzkultur verträgt ein Update. Es gilt: Wir existieren auch außerhalb der Büroräumlichkeiten. Und das müssen Unternehmen auch bei Meetings berücksichtigen. 

Hybride Meetings

Vor einigen Jahren hatte ich ein Hybrid-Meeting. Der Großteil der Teilnehmer*innen saß in einem Konferenzraum, zwei Personen wurden ohne Video dazugeschaltet. Der Veranstalter startete das Webmeeting ein paar Minuten früher als der offizielle Beginn. Die rein virtuellen Gäste wählten sich ein und schwiegen; wir, im Raum, plauderten noch gemütlich, tranken Kaffee und krümelten Kekse auf den Tisch. Während des Meetings gab es das eine oder andere Kichern, was die Zugeschalteten nicht wahrnehmen konnten. Auch leise Zweiergespräche, mimische Reaktionen auf die Diskussionspunkte gingen für sie verloren. Am Ende des Meetings tippte mir eine der zugeschalteten Personen im Chat: „Nächstes Mal komme ich zu euch. Ich fühlte mich heute wie ausgeschlossen!“ So eine Situation könnte bei hybridem Arbeiten zur Tagesordnung werden. Wie können also inklusive Hybrid-Meetings aussehen, in denen sich alle gleich einbezogen fühlen? Ich fand bisher drei möglichen Lösungen:

  1. Jeder im Büro soll sich weiterhin vom eigenen Schreibtisch aus ins Meeting einwählen. So werden gleiche Startbedingungen für die Remote- und Büro-Mitarbeitenden geschaffen.
  2. Wenn die Personen im Büro doch in einem Raum sitzen, sollte die Raumkamera eingeschaltet werden, damit die Remote-Teilnehmenden alle im Blick haben. Dafür muss jedoch immer die Technik vorhanden sein.
  3. Man kann auch ein natürliches Ungleichgewicht akzeptieren und das Beste aus der Situation machen: die Remote-Kolleg*innen bekommen Vorrang. Sie dürfen sich früher einwählen, werden als Erste nach Feedback oder Themen gefragt und aktiv in die Diskussion einbezogen. Diese Lösung setzt eine souveräne digitale Moderation voraus.

Die Debatte über die hybride Arbeitswelt zeigt, dass der Übergang nicht automatisch läuft. Wir brauchen dafür ein offenes Gespräch, genug Zeit und klare Kommunikation. 

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