So verändert sich die Arbeitswelt in Deutschland

Erwachsener indischer Mann im Rollstuhl arbeitet zu Hause am Laptop in seiner Küche und hat einen Videotermin.
© Getty Images/Edwin Tan

Mitarbeitende möchten heute ihre berufliche Entwicklung mit der persönlichen Entfaltung kombinieren, kurz New Work. Die Pandemie und die Digitalisierung haben geholfen, dass flexible Arbeitsmodelle, Remote Work und Workation inzwischen zum Berufsalltag vieler gehören. Hier die wichtigsten neuen Ansätze im Überblick.

1. Ortsunabhängiges Arbeiten*

Jahrzehntelang war Remote Work nur für die wenigsten Angestellten in Deutschland möglich. Dann kam die Corona-Pandemie und veränderte die Arbeitswelt für immer. Alle die konnten, sollten von zu Hause aus arbeiten. Für Menschen, die in Pflege, Einzelhandel oder Handwerk tätig sind, ist das natürlich nicht machbar. Aber für viele Menschen, die beispielsweise reine Bürojobs haben, war das ortsunabhängige Arbeiten schnell umsetzbar.

Vor allem die flexiblere Einteilung der Arbeit sowie die Zeit- und Kostenersparnis durch den Wegfall des Arbeitsweges haben die Zufriedenheit vieler Mitarbeitender erhöht. Inzwischen bieten viele Unternehmen Modelle für hybrides Arbeiten an, eine Mischung aus Homeoffice und Büro.

Eine  hat herausgefunden, dass die Mehrheit der Deutschen im Durchschnitt drei Tage im Homeoffice oder Mobiloffice arbeiten möchte. Für 70 Prozent der Befragten ist die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, inzwischen sogar ein mitentscheidendes Kriterium bei der Jobwahl. 

2. Flexible Arbeitszeitmodelle*

Wocheneinkauf, Arzttermine, Fitnessstudio, dafür bleibt in einem eng getakteten Arbeitstag kaum Zeit. Unterdessen steht eine gute Work-Life-Balance bei vielen Arbeitnehmenden weit oben auf der Prioritätenliste – und damit der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen.

Einer von vielen Ansätzen ist die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Über deren gesetzliche Einführung wurde in Deutschland viel diskutiert, geplant ist sie aber noch nicht. Jedes Unternehmen kann selbst entscheiden, wie es die Arbeitszeitregelung handhaben möchte. So gibt es einige Firmen, die die Vier-Tage-Woche bereits eingeführt haben, beispielsweise als 36-Stunden-Woche an vier Tagen.

Ein besonders innovatives Arbeitszeitmodell hat die Digitalagentur Rheingans vor ein paar Jahren eingeführt: den 5-Stunden-Tag. Die Mitarbeitenden verzichten auf Pausen, arbeiten konzentriert durch und gehen nach fünf Stunden heim. Und das bei vollem Lohn. Die Bielefelder Agentur praktiziert dieses Modell seit mehreren Jahren und hat laut eigener Auskunft damit „positive Erfahrungen“ gemacht.

ZDFheute Nachrichten: New Work - So geht's

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Flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien, Homeoffice: Wie realistisch ist eine neue Arbeitswelt? 

3. Workation*

Diese Wortschöpfung speist sich aus den beiden englischen Begriffen „work“ und „vacation“. In der Praxis bedeutet das, dass man Arbeit und Urlaub gekonnt miteinander verbindet. Das Angebot soll die Attraktivität des Arbeitgebers erhöhen und wird von Unternehmen als Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Talente eingesetzt. Vom Hotelzimmer oder vom Strand aus zu arbeiten, das funktioniert natürlich ebenfalls nur in den Berufen, für deren Ausübung ein Laptop und ein stabiles WLAN reichen.

So können beispielsweise die Mitarbeitenden des Medienkonzerns ProSiebenSat.1 seit vergangenem Sommer 30 Tage im Jahr remote aus dem europäischen Ausland arbeiten. Zuletzt wurde das Angebot auf 26 Länder ausgeweitet – und damit fast auf die gesamte EU. Beschäftigte des Pharmakonzerns Merck können sogar bis zu 60 Arbeitstage pro Jahr außerhalb Deutschlands verbringen.

4. Neues Zeiterfassungsgesetz

Studien zufolge arbeitet über die Hälfte aller Angestellten in Deutschland mehr, als vertraglich vereinbart. Da kommen oft drei Überstunden pro Woche zusammen, die in vielen Fällen weder vergütet noch ausgeglichen werden. Das dürfte sich nun ändern. Im vergangenen Herbst hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, . Wenn keine Überstunden-Regelung im Arbeitsvertrag steht, sind Unternehmen dann verpflichtet, die zusätzlich geleisteten Stunden zu bezahlen oder dafür zu sorgen, dass sie abgebaut werden

5. Upskilling

Laut dem waren zuletzt knapp zwei Millionen Stellen unbesetzt. Ein Rekord. Diese Lücken entstehen unter anderem auch, weil sich durch den Innovationsfortschritt neue Berufsfelder ergeben. Deshalb investieren die Unternehmen stark in die Weiterbildung, um ihre Mitarbeitenden fit für den sich verändernden Arbeitsmarkt zu machen.

Darunter beispielsweise auch das Beratungsunternehmen . In verschiedenen Upskilling-Formaten, darunter das Programm „GetStarted“, werden Mitarbeitende für Zukunftsberufe weitergebildet. So wird ein Flugzeugpilot zum Business-Analyst in der IT, der Musiker zum Software-Projektmanager und der Soziologe zum Salesforce-Berater.

Auch das IT-Unternehmen hat ein eigenes Programm aufgesetzt und stellt Talente ein, losgelöst vom Lebenslauf. Es hat vor einem Jahr ein eigenes Weiterbildungs-Programm ins Leben gerufen, das wie ein neunmonatiges duales Studium funktioniert. An der Hochschule Provadis in Frankfurt findet die theoretische Ausbildung statt, die Praxis erlernen die Teilnehmenden dann in einer der Niederlassungen von Bechtle, die über ganz Deutschland verstreut sind. Das Besondere dabei: Die Teilnehmenden sind bis zu 60 Jahre alt. Und Vorkenntnisse muss niemand mitbringen.

Disclaimer

Es ist anzumerken, dass sich dieser Wandel nur in bestimmten Branchen vollzieht. Insbesondere bei „klassischen Bürojobs“ ist die Implementierung der beschriebenen Phänomene möglich. Für Branchen, bei denen eine Anwesenheit am Arbeitsplatz unverzichtbar ist (z.B. Pflege, Einzelhandel, Gastronomie, Abfall- und Entsorgungswirtschaft, …), sind neue Modelle wie Homeoffice, flexible Arbeitszeitmodelle und Workation nicht realisierbar.

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