Roboter nach dem Vorbild der Natur

Ein Roboterfisch in der Tiefsee
© Getty Images/Geerati

Inspiriert von der Natur: Bei lebenden Organismen wie Tieren und Pflanzen können sich Forschende im Bereich der Robotik viel abschauen. „Bioinspirierte Robotik“ heißt der Bereich, bei dem die Natur als Vorbild dient und technische Anwendungen entsprechend optimiert. Dr. Robert Siddall, Alumnus der und Dozent für Robotik an der University of Surrey in England, hat im Sommer 2022 einen Wettbewerb für die besten Ideen in diesem Bereich gestartet. Gefragt waren einfallsreiche Skizzen von Robotertieren, die technische Lösungen für aktuelle Herausforderungen versprechen. Im April 2023 geht der in die zweite Runde. Der Wettbewerb zeigt auch, wie groß das Interesse junger Menschen an dem Thema ist.

Herr Dr. Siddall, bioinspirierte Robotik gilt als wichtige Zukunftstechnologie. Was genau ist darunter zu verstehen?

Auf diesem Gebiet gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Insgesamt geht es darum, sich Konzepte, Mechanismen und Strategien der Natur genau anzuschauen und anschließend auf den Bereich der Robotik zu übertragen. Interessant sind beispielsweise die Fortbewegung, das Verhalten oder die Sensorik von Tieren: Die Art und Weise, wie sie klettern, schwimmen oder fliegen, lässt sich imitieren und zu robusten Innovationen im Ingenieurswesen weiterentwickeln. Als Vorbild dieser technischen Systeme dienen beispielsweise Vögel, Echsen und Bären, aber auch sehr kleine Tiere wie Moskitos oder Fliegen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Natural Robotics Contest zu initiieren?

Der Gedanke dazu ist ein Resultat meines , das mich an das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart führte. Dort habe ich als Ingenieur unter anderem mit Zoolog:innen zusammengearbeitet, um die komplexe Baumakrobatik von Eichhörnchen und Geckos besser zu verstehen und aus dieser Erkenntnis heraus die Beweglichkeit von Robotern zu verbessern. Zudem wollte ich mit dem Wettbewerb eine neue Form der Wissenschaftskommunikation entwickeln: Der Contest steht jedem offen, der Interesse an Natur und Robotik hat. Aufgabe ist es, sich darüber Gedanken zu machen, wie ein bioinspirierter Roboter dabei helfen kann, aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Denkbar ist beispielsweise ein mechanischer Specht, der Bäume auf Krankheiten untersucht oder ein Roboterfalke, der Meeresschildkröteneier schützt. Anhand der Einsendungen wird deutlich, mit welchen Problemen sich die Menschen konfrontiert sehen – und dass es sich um Herausforderungen handelt, denen sich Ingenieurinnen und Ingenieure dringend widmen sollten.

Inwiefern hilft der Wettbewerb dabei, junge Menschen für die Entwicklung komplexer technischer Innovationen zu begeistern?

Insgesamt haben sich im Sommer 2022 mehr als 100 Teilnehmende aus verschiedenen Ländern mit ihren Skizzen bei uns beworben, unter ihnen zahlreiche Teenager und Studierende aus Großbritannien und den USA. Diese großartige Resonanz zeigt: Junge Menschen interessieren sich für Zukunftstechnologien. Auf dieser Begeisterung gilt es aufzubauen. Meiner Ansicht nach eignet sich dabei die Biorobotik ideal als Einstieg in Wissenschaft und Technik. Jeder von uns interagiert ständig mit der Natur, die meisten Menschen haben ein intuitives Gespür für das Verhalten von Tieren und Pflanzen. Der Natural Robotics Contest greift auf diese Intuition zurück und gibt jedem die Möglichkeit, seine Idee zu präsentieren und selbst kreativ zu werden. Der überzeugendste Vorschlag wird von uns Ingenieurinnen und Ingenieuren am Ende als Prototyp praktisch umgesetzt, sodass das Zusammenspiel von Natur und Technik real wird.

Gewinnerin des Natural Robotics Contest 2022 ist die Chemiestudentin Eleanor Mackintosh. Was hat Sie an ihrem Vorschlag, einem Roboterfisch, überzeugt?

Der Roboterfisch verwendet künstliche Kiemenstrukturen, um Mikroplastik mit einer Größe von zwei Millimetern aus dem Wasser zu filtern. Mikroplastik ist ein großes Problem unserer Zeit, da immer mehr Müll in die Ozeane gelangt – mit verheerenden Konsequenzen für die Meerestiere. Hauptaufgabe des Roboterfischs ist dabei allerdings nicht das Säubern des Gewässers, sondern die Probenentnahme: Filtersystemen gelingt es bislang nicht, zwischen Mikroplastik und Plankton zu unterscheiden. Wie am Roboterfisch deutlich wird, können uns technische Systeme dennoch im Kampf gegen Mikroplastik unterstützen, da sie ein besseres Verständnis davon liefern, wo genau im Meer sich Plastik befindet, wohin es treibt, ob es zum Meeresboden sinkt und wie groß die Verschmutzung ist. Zu alldem fehlen uns noch valide Daten. Der Roboterfisch gibt darüber Auskunft, wie verschmutzt das Wasser ist. Die von ihm gesammelten Proben können wir im Labor analysieren. 

Welche weiteren Ideen haben Sie im Zuge des Wettbewerbs erreicht?

Es sind viele einfallsreiche Entwürfe bei uns eingetroffen: für mechanische Delfine, die im Meer nach Müll suchen und an den Strand bringen, für Vögel, die illegale Entwaldung und Brandrodung im Regenwald aufspüren oder für Eichhörnchen, die Gewächse pflanzen. Auch Blut transportierende Roboterstechmücken oder künstliche Bienen, die bei der Bestäubung helfen, waren mit dabei. Die Ideen sind großartig und der Wettbewerb hat mir viel Freude bereitet. Deshalb habe ich beschlossen, auch im Jahr 2023 den Natural Robotics Contest zu starten. Bewerbungen nehmen wir ab April 2023 entgegen.  

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