Impulse für eine umweltfreundliche Landwirtschaft

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Konkurrierende Wege für eine gerechte Transformation der Ernährungssysteme stellte der Tropentag 2023 in Berlin zur Diskussion. Mit dabei waren Deutschland-Alumni aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die der DAAD mit dem Programm SDG-Alumniprojekte unterstützt. 

Es ist eine dramatische Situation in Teilen des Globalen Südens, die ein rasches Handeln der internationalen Gemeinschaft erforderlich macht: Immer mehr Menschen leiden weltweit an Hunger oder können sich keine gesunden Nahrungsmittel leisten – obwohl so viele Nahrungsmittel produziert werden wie nie zuvor. Laut eines Berichts mehrerer UN-Organisationen waren 2022 weltweit im Durchschnitt rund 735 Millionen Menschen von Hunger betroffen; 2,4 Milliarden hatten keinen dauerhaften Zugang zu Nahrung. Unter dem Titel „Konkurrierende Wege für eine gerechte Transformation der Ernährungssysteme: Kompromisse und Synergien“ präsentierte der Tropentag 2023 an der Humboldt-Universität zu Berlin deshalb unterschiedliche Möglichkeiten für einen grundlegenden Wandel: Zur Sprache kamen sowohl technische Lösungen wie beispielsweise biofortifizierte Pflanzen, aber auch die Forderung nach einem vollständigen Paradigmenwechsel in Theorie und Praxis. Organisatoren der Konferenz, die live über eine Konferenz-App gestreamt wurde, waren das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) sowie die Humboldt-Universität zu Berlin. 

Einblick in neuste Technologien

An der Diskussion beteiligten sich auch Deutschland-Alumni aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die der DAAD mit dem Programm SDG (Sustainable Development Goals)-Alumniprojekte fördert. Im Rahmen des Tropentags 2023 besuchten die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Woche lang Seminare an der Technischen Universität Dresden, der Universität Kassel und der Technischen Hochschule Köln und die interdisziplinäre Konferenz an der Humboldt-Universität zu Berlin. Damit gewannen sie einen Einblick in neuste Technologien und Forschungsergebnisse sowie die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch: Mit ihren SDG-Projekten, die unter anderem Themen wie tropische und subtropische Landwirtschaft, Management natürlicher Ressourcen und ländliche Entwicklung umfassen, arbeiten die Deutschland-Alumni an der Entwicklung tragfähiger Lösungen für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. 

Dr. Bui Le Vinh, der an der Vietnamesischen Nationaluniversität für Landwirtschaft die multidisziplinäre Forschungsgruppe Climate-Resilient AgriFood Systems (CRAFS) gegründet hat, stellt beispielsweise klimaresistente Agrar- und Ernährungssysteme in Vietnam und der Region Südostasien ins Zentrum seines SDG-Alumniprojekts. Seine Forschung bereichert er dabei mit praktischer Erfahrung: Seit über 20 Jahren arbeitet er mit kleinbäuerlichen Betrieben der nördlichen Bergregion Vietnams zusammen, die aufgrund unwegsamer Geländebedingungen und nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken mit einer Degradation der Böden, Verringerung der Produktivität sowie einer Abwanderung der Menschen vom Land in die Städte zu kämpfen haben. „Der Einsatz von technischen Lösungen ist in Bergregionen oft schwierig und teuer“, erklärt er. „Eine konservierende Landwirtschaft, die die Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit wiederherstellt, könnte allerdings zu einer Steigerung des Ertrags beitragen und dadurch mehr Arbeitsplätze schaffen.“ 

Internationale Netzwerke für Projekte im Globalen Süden

Ein Beispiel von vielen, das zeigt: Für eine nachhaltige Transformation der Lebensmittelsysteme bedarf es ganzheitlicher Ansätze und Systemanalysen. „Eine klimaintelligente Landwirtschaft, die Fachgebiete wie beispielsweise die Pflanzen- und Tierwissenschaften, Bodenkunde und Düngemittel umfasst, ist dabei ein wichtiger Teil der Lösung“, sagt Le Vinh. Ein dauerhafter Erfolg stelle sich jedoch nur ein, wenn auch Technologien zur Lebensmittelverarbeitung sowie die Logistik und Infrastruktur verbessert würden; zudem sei eine Aufklärung der Verbraucher über klimaresistente Agrarprodukte notwendig. Wichtig sei ebenso politische Unterstützung – national und auf internationalem Bankett.  

Im Rahmen seines SDG-Alumniprojekts setzt er auf die Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Kassel. „Durch das DAAD-Programm ist es mir gelungen, potenzielle Forschungspartner und Finanzierungsquellen zu ermitteln“, sagt Le Vinh. „Ich hoffe, dass aus unserem gemeinsamen Engagement zukünftig große Verbundprojekte für den Globalen Süden resultieren.“ Einen nächsten Schritt zur Erweiterung seines Netzwerks bot der Tropentags 2023 und die damit verbundene Schulungswoche: „Der Austausch mit anderen Teilnehmenden machte deutlich, vor welchen globalen Herausforderungen wir stehen – und weckte das Interesse an der Zusammenarbeit zur Bewältigung gemeinsamer Probleme“, erzählt er. „Zudem hatten wir die Möglichkeit, unser Wissen durch hochwertige Vorträge und ausführliche Diskussionen mit deutschen Professorinnen und Professoren auf den neuesten Stand zu bringen.“  

Erträge verbessern und Umwelt respektieren

Auch Deutschland-Alumna Alejandra Pedraza Luengas nutzte die Veranstaltung, um Kontakte zu knüpfen und Ideen auszutauschen: Die Mitbegründerin von Danaus Consultants, einem landwirtschaftlichen Beratungsunternehmen in Belize, profitierte von der Erfahrung anderer Expertinnen und Experten sowie der Präsentation neuer Methoden und digitaler Tools. „Besonders interessant war beispielsweise der Workshop zu einer wirksameren Kommunikation mit lokalen Interessensgruppen, das ist für meine Arbeit enorm wichtig“, sagt sie. „Zudem konnte ich mich dank der Kombination von Seminaren und Konferenz intensiv mit den Themen Ernährungssicherheit und Artenvielfalt auseinanderzusetzen.“ Dabei habe sie die Erfahrung gemacht, dass andere Deutschland-Alumni mit ähnlichen Problemen kämpfen – unabhängig von der Nationalität oder dem fachlichen Hintergrund. „Diese Erkenntnis gab mir das Gefühl, das ich mit der Suche nach tragfähigen Lösungen nicht allein bin.“ 

Eine der größten Herausforderungen bei der Umgestaltung der Lebensmittelsysteme sieht die Kolumbianerin im Kapazitätsaufbau der bäuerlichen Betriebe. „Im Rahmen meines SDG-Projekts schule ich Landwirtinnen und Landwirte, damit sie in der Lage sind, notwenige Änderungen ihrer Praktiken nicht nur umzusetzen, sondern auch zu verstehen und nachzuvollziehen“, erläutert Pedraza Luengas. „Mein Ziel ist es den Bäuerinnen und Bauern beizubringen, wie sie ihr Einkommen verbessern und gleichzeitig die Umwelt respektieren können.“ Wichtig sei beispielsweise der Einsatz von Technik für das Düngemittelmanagement und die Inspektion der Felder vor der Ausbringung von Agrochemikalien, für die Pedraza Luengas eine Drohne mit einer Multispektralkamera zur Verfügung stelle. Doch bei alldem gelte: Neue Technologien dürfen Menschen nicht ersetzen. „Lösungen müssen ganzheitlich gedacht und am Interesse der Betriebe ausgerichtet werden. Fundierte Daten, die uns technische Tools liefern, sind allerdings wichtig, um richtige Entscheidungen im Sinne einer ertragreichen, aber umweltfreundlichen Landwirtschaft zu treffen.“  

Ob technische Innovationen oder konventionelle Praktiken am Ende zu mehr Ernährungssicherheit und Umweltschutz führen, ist nach Ansicht der Biologin eine Frage der örtlichen Gegebenheiten sowie der wirtschaftlichen Ausrichtung der bäuerlichen Betriebe – und der Verfügbarkeit. „Nicht jedes Unternehmen hat finanzielle Mittel für leistungsfähige Geräte, Düngemittel, Biopestizide oder ein bestimmtes Saatgut“, erklärt sie. Zur Umgestaltung des Lebensmittelsystems fordert sie deshalb mehr Beratungs- und Finanzierungsdienstleistungen für Landwirtinnen und Landwirte sowie einen Botton-Up-Ansatz, der die Kluft zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Forschungsinstituten schließe und öffentlich-private Partnerschaften stärke. Dank des Tropentags 2023 fühlt sich Alejandra Pedraza Luengas für ihre kommenden Aufgaben in Belize gut gerüstet: „Ich kehre voller neuer Ideen, Motivation und Energie in mein Heimatland zurück“, sagt sie. „Meine Erwartungen an die SDG-Seminare und die Konferenz wurden voll erfüllt.“  

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