Wie fördern deutsche Universitäten Vielfalt?

Genderqueere und nicht-binäre Freund*innen, die vor einer Regenbogenfahne eine Herzform bilden
© Getty Images/Leo Patrizi

DAAD-Alumna Dr. Rebecca Hahn setzt sich dafür ein, ihre Hochschule ein Stück weit diverser und fairer zu gestalten. Sie arbeitet in der Hochschulkommunikation an der Universität Tübingen und organisiert in diesem Jahr den Pride Month der Universität – mit einer Strahlkraft weit darüber hinaus hat.

Der Juni steht an der Universität Tübingen ganz im Zeichen des Pride Month – Sie bereiten ihn gerade vor. Wie ist das Thema bei Ihnen gelandet?

Ich arbeite in der Hochschulkommunikation und bin am assoziiert – die Direktorin des Zentrums war auch meine Doktormutter. Ich habe in Anglistik promoviert, mein Thema hatte einen starken Genderfokus. Und so wurde ich gefragt, ob ich Kapazitäten und Interesse habe, an der Planung mitzuwirken. Den Pride Month koordiniere ich nicht allein, sondern gemeinsam mit der Geschäftsführung des ZGD und – das ist neu – der koordinierenden Person für Queere Chancengleichheit der Stadt Tübingen. Ich bin das erste Mal an der Vorbereitung beteiligt, habe aber in der Vergangenheit in der Anglistik, über das ZGD und das verschiedene Veranstaltungen mit ähnlichen Schwerpunkten organisiert.

Das Issues Network haben Sie mitbegründet. Mit welchem Ziel?

Es ist ein kollaborativer feministischer Raum für Lehrende, Studierende und Mitarbeitende der Hochschule, in dem wir uns beispielsweise mit Themen wie dem Patriarchat, Sexismen im Alltag oder Diskriminierung beschäftigen. Es gibt so viel Hass und Abwertung. Das bekommen wir in Gesprächen mit Menschen mit, die ihre Erfahrungen mit uns teilen. Wir wollen als Verbündete wirken und den Blick dafür schärfen, wo Menschen in unserer Gesellschaft Diskriminierung erleben – auch unseren eigenen.

Welchen Einfluss hat dieses persönliche Engagement auf Ihre Arbeit?

Diese Vorbildung aus dem Studium, der Promotion oder eben aus den Netzwerktreffen prägt meine Arbeit stark. Diese Erfahrungen ermöglichen mir einen anderen Blick, beispielsweise auf Texte. Wie ist ein Text formuliert, wird verwendet oder wird so etwas komplett ignoriert? Auch in der Hochschulkommunikation ist das ein hochpolitisches Thema.

Diversitätsdiskurse, Diversitätspraktiken und Diversitätsstrategien an Hochschulen

Diversitätsdiskurse, Diversitätspraktiken und Diversitätsstrategien an Hochschulen
Diversitätsdiskurse, Diversitätspraktiken und Diversitätsstrategien an Hochschulen ©

Bei der Vorbereitung des Pride Month sind alle Gruppen der Hochschule aufgerufen, sich mit ihren Ideen zu beteiligen. Fördert das die Vielfalt?

Unsere Prorektorin für Internationales und Diversität Prof. Dr. Monique Scheer hat eine Rundmail an alle Angehörigen der Universität verschickt und dazu eingeladen, sich einzubringen. Die Resonanz war ausgesprochen gut. Viele wollen mitwirken, auf allen Ebenen ist das Interesse groß. Wir haben ein sehr vielfältiges und kreatives Programm zusammenstellen können. Von Lesungen über Film-Screenings bis hin zum Beitrag einer Postdoktorandin aus der Psychologie, die mit Legosteinen stereotype Rollenbilder nachbauen lässt. Einige Studierende haben zusammen eine queere Ringvorlesung vorbereitet, das finde ich auch super.

Welche Rolle spielt die Stadt Tübingen in der Zusammenarbeit?

Eine sehr zentrale. Die Personen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind unglaublich aufgeschlossen, die Verzahnung ist sehr eng. Wir geben beispielsweise eine gemeinsame Pressemitteilung heraus. Die Pride Month 2023 fand noch in einem viel kleineren Rahmen statt, er wurde ausschließlich vom Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung organisiert. In diesem Jahr haben wir viel mehr Kapazitäten. Über die Kooperation mit der Stadt, die in der Öffentlichkeitsarbeit ihre eigenen Kanäle nutzt, erreichen wir eine viel größere Reichweite, auch über Social Media. Und wir nutzen über die Uni hinaus andere Räume.

Die Universität Tübingen wirkt mit ihrem Pride Month stärker in die Stadtgesellschaft hinein?

Absolut. Denn es bieten nicht nur universitäre Einrichtungen oder Mitglieder Veranstaltungen an. Das Queere Zentrum Tübingen ist ebenso beteiligt wie das Frauen*café, die Aidshilfe, das Zimmertheater und das Landestheater. Viele verschiedene Einrichtungen werden aktiv.

Was kann denn so ein Veranstaltungsmonat leisten?

Verschiedenes! Zum einen bietet er Studierenden, Mitarbeitenden, Forschenden und Ehemaligen, die sich der LGBTQIA+ Community zugehörig fühlen, eine Plattform, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Dann trägt er auch dazu bei, verschiedene Identitäten sichtbar zu machen und Allies (dt. „Verbündeten“) die Möglichkeit zu geben, sich zu informieren und weiterzubilden. Das Zelebrieren des Pride Month soll zudem langfristig ein inklusives und unterstützendes Umfeld fördern. Es soll zeigen: Ja, es gibt hier eine große queere Community, die unterstützt und gesehen wird.

Spielt das Thema Diversität auch in die Alumni Relations hinein?

Auch die Gruppe der Alumni ist eine sehr diverse Gemeinschaft. Wir stehen dafür, dass auch in dieser Community Vielfalt von Studierenden, Mitarbeitenden und Ehemaligen gesehen, geschätzt und gefeiert wird. Alle diese Themen beeinflussen natürlich auch unsere Arbeit. Für den Pride Month organisieren wir zwei Veranstaltungen mit Ehemaligen, die ihre Expertise teilen. Eine Alumna, eine Medizinerin, die die Spezialsprechstunde für Trans*gender und Geschlechtsinkongruenz am Uniklinikum Tübingen leitet, wird über Trans*-Gesundheit am Standort Tübingen sprechen und aus ihrer Arbeit in der Trans*-Sprechstunde berichten. Ein anderer Alumnus wird sich Fragen zu seinem Alltag als trans* Mann stellen. Es ist sein ausdrücklicher Wunsch, mit Leuten ins Gespräch kommen. Auch zu sehr privaten Themen.

Was würden Sie mit dem Pride Month gerne erreichen?

Was ich mir wünsche, ist, dass sich möglichst viele Personen die Zeit nehmen, um an den wirklich tollen Veranstaltungen teilzunehmen. Dass wir uns weiterbilden, mehr dazulernen, in die Diskussion gehen, dass es weiterhin einen respektvollen Umgang miteinander gibt. Und ja, dass wir anerkennen, wie viel noch zu tun ist.

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