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Ein Blick auf Deutschlands feministische Außenpolitik

SDG Ziel 5: Geschlechtergleichheit
Frau hält Plakat und protestiert für mehr Gleichberechtigung.
© GettyImages/jacoblund

In keinem Land der Welt herrscht wirkliche , nicht einmal in den sehr fortschrittlichen Ländern Skandinaviens. Frauen und Mädchen machen zwar die Hälfte der Weltbevölkerung aus, verfügen aber längst nicht über die Hälfte der Macht. Sie stellen erst etwa ein Viertel aller Parlamentarier:innen weltweit, und nur knapp zehn Prozent aller Regierungen werden von Frauen geführt. Auch die Ressourcen sind ungleich verteilt: Frauen arbeiten seltener, verdienen schlechter, haben weniger Besitz und geringeren Zugang zu Bildung und Krediten. So gehört Frauen zum Beispiel nur 13 Prozent des bewirtschafteten Landes der Welt.

Gleichberechtigung wichtig für die Gesellschaft

Das bedeutet: Ein großer Teil ihres Potenzials bleibt ungenutzt, obwohl sie „Stärke, Wissen, spezielle Fähigkeiten und innovative Ideen“ haben, wie Entwicklungsministerin Svenja Schulze es formuliert. Dabei würde eine größere Teilhabe von Frauen – neben der menschenrechtlichen Seite – Gesellschaften als Ganzes zugutekommen: Wären Frauen am Arbeitsmarkt ähnlich aktiv wie Männer, könnte die Wirtschaft nach Berechnungen des Weltwährungsfonds in einigen Ländern um bis zum 35 Prozent wachsen. Auch weiß man inzwischen, dass Gesellschaften stabiler und friedlicher sind, wenn es zwischen den Geschlechtern gerechter zugeht.  

Um dieses weit verbreitete Missverhältnis auszugleichen, hat sich Deutschland vor einigen Monaten zum Ziel gesetzt, eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik zu verfolgen. Sie soll ungleiche Machtverhältnisse überwinden und damit allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Das gilt für Benachteiligte in jeder Form und schließt neben Frauen auch Minderheiten und Menschen mit Behinderungen ein. 

Einen “feministischen Reflex” ausbilden

Diese Politik „ist kein Nice-to-have, kein kleines Blümchen, keine Schleife obendrauf“, wie Außenministerin Annalena Baerbock bei der Vorstellung des neuen Ansatzes sagte, sondern „zieht sich durch alle Bereiche unseres außenpolitischen Handelns“. Es gelte, das Thema Gender immer im Blick zu haben und dafür einen „feministischen Reflex“ auszubilden.  

Die Ansätze des Außen- und Entwicklungsministeriums ergänzen sich. Zusammen sollen sie einen Modernisierungsschub bei den Partnerländern Deutschlands, aber auch in den eigenen Häusern bewirken. Das geschieht im Wesentlichen durch die „drei R“: Rechte, Ressourcen, und Repräsentanz. Es geht darum, diskriminierende Gesetze und Normen abzubauen (Rechte), gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen zu schaffen und die Repräsentanz von Frauen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu erhöhen.  

Deutschland steht mit diesem Ansatz nicht allein. Als erstes Land ging Schweden 2014 damit voran, hat ihn mittlerweile jedoch aufgrund eines Regierungswechsels wieder aufgegeben. Es folgten Länder wie Kanada, Luxemburg, Frankreich, Spanien, die Niederlande, Mexiko und einige andere. Im Jahr 2023 hat sich ein Globales Netzwerk (Global Partner Network for Feminist Foreign Policy) dazu gegründet. Ihm gehören inzwischen mindestens zwei Dutzend Regierungen und Organisationen an, darunter zum Beispiel auch die oder der .  

In Deutschland hat die Lob sowie Kritik erfahren. Die einen freuen sich, dass endlich konsequent umgesetzt wird, was als wichtige Voraussetzung zum Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) gilt. Die anderen erachten eine solche Politik als strategisch irrelevant, als eine modische Debatte oder schlicht unnötig. 

Why do we need a feminist foreign policy? | Kristina Lunz

Why do we need a feminist foreign policy? | Kristina Lunz Why do we need a feminist foreign policy? | Kristina Lunz ©

Kristina Lunz, Menschenrechtsaktivistin, Mitbegründerin und Deutschland-Chefin des Zentrums für Feministische Außenpolitik und Beraterin des Auswärtigen Amtes, erläutert ihre Arbeit und die Dringlichkeit eines feministischen Ansatzes in der Außenpolitik (auf Englisch).

Feministische Außen- und Entwicklungspolitik noch ausbaufähig

Eine Nachfrage bei internationalen Alumnae hat ein klares Bild ergeben: Sie begrüßen die feministische Außen- und Entwicklungspolitik, finden aber, sie gehe noch nicht weit genug. 

Sandra Àngel Moreno

„Deutschlands feministische Außen- und Entwicklungspolitik ist ein sehr wichtiger Schritt nach vorne. Je mehr Staaten diesen Ansatz verfolgen, desto eher können wir schädliche Strukturen beseitigen. Dass ein europäisches Land wie Deutschland nun eine feministische Politik verfolgt, halte ich deshalb für eine sehr gute Nachricht. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Deutschland dabei auch einen klaren pazifistischen und pro-demokratischen Kurs einschlägt. Davon ist in den Papieren nicht die Rede. Zudem fehlt ein Hinweis darauf, dass die Ungleichheit auch zwischen Frauen sehr verschieden sein kann. Eine Frau in Lateinamerika, zumal wenn sie einer indigenen Minderheit angehört, hat ganz andere Probleme als eine Frau in Europa. Dieses Machtgefälle ist nicht angesprochen. Außerdem steht darin nichts über die Tatsache, dass Frauen als Migrantinnen in Deutschland großen Ungleichheiten ausgesetzt sein können. An dieser Stelle ist die feministische Politik dünn. Aus all diesen Gründen bewerte ich den Ansatz zwar als gut, aber als nicht umfassend genug.“ 

Ruqia Hazrati

„Die neue Ausrichtung der deutschen Politik halte ich für äußerst relevant, gerade im Zusammenhang mit Afghanistan. Das derzeitige Regime schließt Frauen aus dem öffentlichen Leben komplett aus, sie sind auf ein Leben zu Hause zurückgeworfen. Es käme einer Katastrophe gleich, würden die afghanischen Frauen jetzt auch noch von der internationalen Gemeinschaft vergessen. Deshalb bin ich über den neuen Ansatz sehr froh. Allerdings muss er sich in der Praxis erst noch beweisen. So wäre äußerst wichtig, dass die NGOs, mit denen Deutschland in Afghanistan zusammenarbeitet, Frauen in ihren Reihen und an hervorgehobener Stellung als Symbol und als Unterstützung beschäftigen. Deutschland könnte das zu einer Voraussetzung für deren Förderung machen. Und das ist nur ein Beispiel. Ich bin sehr gespannt, ob die neue Politik gerade in einem Land wie Afghanistan halten kann, was sie auf dem Papier verspricht.“  

Suzie Shefeni

„Ich finde es äußerst lobenswert, dass Deutschland als globale Macht seine Politik in einen feministischen Rahmen stellt. Der Wechsel kommt genau rechtzeitig, weil feministische Politik typischerweise kritisch und reflektierend vorgeht und zugleich Gerechtigkeit anstrebt – das brauchen wir in Krisenzeiten wie diesen. Die drei R – Recht, Ressourcen, Repräsentanz – haben das Potenzial, wirkliche Fortschritte zu bewirken. Allerdings fehlen mir einige sehr relevante Aspekte: Von Migration und Einwanderung zum Beispiel ist überhaupt nicht die Rede, obwohl beides wichtige Aspekte internationaler Politik darstellen. Viele Menschen verlassen ihre Heimat aufgrund von Konflikten und wegen des Klimawandels; beides macht sie verletzlich, das gilt vor allem für Frauen. Eine feministische Außenpolitik sollte genau das anerkennen und aufnehmen. Das halte ich für einen großen Mangel. Auch muss man erst noch sehen, ob die neue Politik den Praxistest besteht. Im Fall Namibias wird sich das daran zeigen, wie Deutschland dort mit seiner Vergangenheit umgeht und ob es zu mehr Entschädigungen bereit ist, vor allem für Indigene, denn auch sie schließt die feministische Außenpolitik ausdrücklich ein.“ 

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